Der Politiker Juan Grabois, Sohn eines seinerzeit sehr bekannten peronistischen Politikers, der eine soziale Organisation leitet (über die man nicht viel weiss und davon ausgehen kann, dass es sich nur um einen Gummistempel handelt) und jetzt Cristina Kirchner nahe steht, hat eine Agrareform befürwortet, bei der einmal niemand mehr als 5.000 Ha. besitzen dürfte, und dann Land für 50.000 kleine Landgüter enteignet werden soll. Obwohl er beteuerte, dass dies keinen Rechstbruch darstelle, meint er wohl eine Konfiksation dieses Landes, da für eine legale Enteignung kein Geld vorhanden ist und sie auch sonst legal fragwurdig wäre. Der Vorschlag ist allgemein kühl oder sogar schlecht angekommen.
Als erstes sei darauf hingewiesen, dass 5.000 Ha. in Pergamino oder anderen guten Gebieten sehr viel sind, in Patagonien jedoch sehr wenig. In Santa Cruz wurden schon mehrere Landbetriebe von viel mehr als 5.000 Ha. aufgegeben, weil sie unwirtschaftlich sind. Zum zweiten ist es so, dass die grösseren Landbesitze meistens Aktiengsellschaften sind, die viele Besitzer haben. Gemäss dem Vorschlag von Grabois müssten diese dann aufgeteilt werden, womit aus einem wirtschaftlichen Grossbetrieb viele unwirtschaftliche Kleinbetriebe gemacht würden.
Der Gedanke der Agrarreform war vor einem Jahrhundert aufgekommen, als der Landbesitz noch sehr konzentriert war und es viele kleine Pächter gab, die arm waren und keine Zugang zum Landbesitz hatten. Sie bildeten damals den Verband “Federacion Agraria Argentina”, der für eine Agrareform eintrat, die ihnen den Zugang zum Landbesitz erlauben sollte. Heute gibt es diese Pächter nicht mehr. Wer Land pachtet, ist ein landwirtschaftlicher Unternehmer, der meistens selber auch Land besitzt, für den es wirtschatlicher ist, Land zu pachten als zu kaufen. Oft werden auf diese Weise Grossbetriebe geschaffen. Der kleine Landwirt hat heute auch die Möglichkeit, sein Land in einen “Pool” einzubringen, bei dem er es innerhalb eines Grossbetriebes verwaltet wird, und er dann eine Beteiligung am Gewinn erhält. Oder er kann das Land bearbeiten, indem er die Saat- und Erntearbeiten mit Unternehmen verpflichtet, die über die notwendigen Maschinen verfügen, die sich inzwischen stark vermehrt und vergrössert haben. Der kleine Landbesitzer ist heute nicht mehr gehemmt, weil er die notwendigen Landmaschinen nicht kaufen kann.
In Argentinien wird ständig Land verkauft und gekauft, wie in keinem anderen Land. Erfolgreiche Landwirte kaufen Land hinzu, und andere, die nicht weitermachen wollen, verkaufen es. Ebenfalls wird in Argentinien beim Landbesitz das normale Erbrecht angewendet, während es in Europa noch das System des Majorats gibt, bei dem der älteste Sohn das Landgut erbt und die nderen Nachkommen ausgezahlt werden. Das Erbrecht hat zu einer sehr starken Aufteilung des effektiven Landbesitzes geführt, weil viele Grossgrundbesitzer viele Kinder und noch viel mehr Enkel und Urenkel hatten.
Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten eine technologische Revolution erlebt, mit direkter Aussaat, genetisch verändertem Saatgut, Bodenanalysen und gezieler Düngung, Einsatz von neuen Chemikalien für die Unkraut- und Insektenbekämpfung, und auch mit grossen hochentwickelten Schleppern und Ernte- und Saatmaschinen. Die Landwirte haben sich zu modernen Unternehmern entwickelt, und sehr viele sind Akademiker. Das hat u.a. dazu geführt, dass sich die Gesamternte von Getreide und Ölsaat in den letzten 70 Jahren verzehnfacht hat, und auch die Rinderzucht viel wirtschaftlicher ist, u.a. mit Mästung in “Feed lots”. Die argentinische Landwirtschaft hat heute nichts mit der zu tun, die vor einem Jahrhundert bestand. Und deshalb sind Vorschläge über Agrareform heute wirklichkeitsfremd.
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