Von Juan E. Alemann
Für Oktober wird mit einer Inflation, gemessen mit dem Index der Konsumentenpreise des INDEC, von etwa 4% gerechnet, was nach dem Sprung von 5,9% als eine Besserung und einen Hinweis auf eine abnehmende Tendenz erscheint. Aber es war eine Eintagsfliege. Im November wird mit über 5% gerechnet, und dabei stellt sich nur die Frage, um wie viel höher es sein wird. Und im Dezember wird es dann bestimmt noch mehr sein, eventuell sogar über 10%. Das schafft für den neuen Präsidenten, Alberto Fernández, ein schwieriges Problem, gibt ihm jedoch gleichzeitig die politische Grundlage für harte Maßnahmen, mit denen u.a. verhindert würde, dass es wieder zu einer Hyperinflationswelle kommt, die chaotische Zustande schafft. Das versetzt Politiker, Gewerkschafter, Unternehmen und die Gesellschaft im allgemeinen in Panik, so dass eine Politik, die diese Entwicklung verhindert, mit geringem Protest hingenommen wird.
Unlängst wurde der Preis von Benzin und Dieselöl um 5% erhöht, und dabei soll es stufenweise kurzfristig 20% sein. Macri will noch vor seinem Abgang das Problem zumindest teilweise lösen, dass er mit der Einfrierung im Zuge der Wahlkampagne geschaffen hat. In der Provinz Buenos Aires hat die Gouverneurin María Eugenia Vidal eine Erhöhung der Stromtarife von 20% zugelassen, die sie vorher eingefroren hatte. Voraussichtlich kommen jetzt auch Erhöhungen des Stromtarifs im Rahmen von Groß- Buenos Aires u.a. Orten des Landes. Hinzu kommt dann noch die jüngste Tariferhöhung bei privaten Gesundheitsdiensten (die sogenannten “prepagas”) von 12% (61,3% im ganzen Jahr 2019) und bei Privatschulen (bis 19%). Und dann gab es einen gewaltigen Preissprung bei Rindfleisch, der mit der Abwertung und mit einem stark gestiegenen Export zusammenhängt, und sich dann auf Schweinefleisch und Huhn überträgt, wenn die Nachfrage auf diese Produkte übergeht. Ebenfalls ist der Preis von Weizenmehl in die Höhe gesprungen, der sich sofort auf Brot und Teigwaren überträgt. In Supermärkten haben Konsumexperten allgemein starke Zunahmen festgestellt, was durch die zahlreichen Sonderangebote mit Mengenrabatten u.a Preisnachlässen vertuscht wird.
Die Unternehmer befürchten einmal einen weiteren Abwertungssprung, und dann eine Preiseinfrierung im Rahmen eines sogenannten Sozialpaktes. Darauf reagieren sie, so weit sie können, mit vorbeugenden Preiserhöhungen. Hinzu kommt jetzt noch der Umstand, dass viele Lohnabkommen, die dieses Jahr abgeschlossen wurden, eine Indexierungsklausel enthalten oder zumindest einen Hinweis auf eine Neuverhandlung, wenn die Inflation stärker als erwartet ist. Das treibt die Kosten in die Höhe, und diese werden, so weit wie möglich auf die Preise abgewälzt.
Abgesehen von all diesem, haben sich die letzten Abwertungssprünge noch nicht voll auf die Preise des Einzelhandels übertragen. Das jüngste Verbot des Dollarkaufs und der Dollarüberweisungen für Sparzwecke und Auslandsreisen hat auch eine inflationäre Wirkung gehabt. Die Regierung wollte sich von der von Cristina unterscheiden, nachdem Macri und seine Leute das totale Verbot, im Volksmund gennant “cepo”, stets verteufelt hatten, und hat somit zunächst einen beschränkten Kauf, und dann einen minimalen zugelassen. Im Wesen ist es das Gleiche wie vor Dezember 2015. Das Ergebnis war jetzt, wie zu erwarten, dass sofort ein Schwarzkurs aufgetreten ist, der höher als der legale war, und dann auch ein noch viel höherer für die (legalen) Überweisungen über den gleichzeitigen Kauf und Verkauf von Staatstiteln in Argentinien und New York, hier in Pesos und dort in Dollar. Dieser viel höhere Kurs wird dann allgemein als “der richtige” betrachtet, so dass sie ihn bei ihrer Berechnung der lokalen Werten in Dollar verwenden. Beiläufig bemerkt: AF und sein Wirtschaftsminister werden sich überlegen müssen, wie sie zu diesem Thema Stellung nehmen. Unsere Empfehlung: eine Aufteilung des Devisenmarktes in einen für den Bereich der Leistungsbilanz und einen anderen für den der Kapitalbilanz. Einige Fälle müssen dann einzeln entschieden werden. Einen doppelten Devisenmarkt dieser Art hat es schon mehrmals gegeben. Dadurch werden diejenigen, die Dollar kaufen, nicht gezwungen, ihre schwarzen Geschäfte zu erweitern. Es ist wichtig, dass die Dollarkäufe legal bleiben, denn sie sind schließlich nur ein Teil des bimonetären Währungssystems, das in Argentinien faktisch besteht, und Teil der Wirtschaftsordnung ist. Ein gespaltener Devisenmarkt schafft gewiss viele Probleme und muss in absehbarer Zeit wieder aufgegeben werden. Aber unmittelbar löst dieser doppelte Devisenmarkt kritische Probleme. Dabei wird auch der Kapitalimport angespornt, da Investoren dann in Argentinien Immobilien u.a. Güter billiger kaufen können. Als am 24. März 1976 die Militärregierung antrat, war auch auf dem Devisenmarkt der Teufel los. Wirtschaftsminister José A. Martínez de Hoz schuf damals auch einen gespaltenen Devisenmarkt, der dann schrittweise bis Ende jenes Jahres vereinheitlicht wurde. Als Macri als Präsident antrat, wurde das Thema auch diskutiert, und Wirtschaftler wie Javier González Fraga (jetzt Präsident der Banco Nación) rieten zu einem doppelten Markt. Das war damals das Richtige, aber die anderen Wirtschaftler, die damals das Sagen hatten (Alfonso Prat Gay, Federico Sturzenegger u.a.), und auch Macri selber, entschieden sich für einen einheitlichen Markt, was ein Fehler war, der Macri und dem Land teuer zu stehen kam. Hoffentlich begeht AF nicht den gleichen Fehler.
Gleichzeitig hat die Macri-Regierung das primäre Defizit erhöht und die monetäre Politik gelockert. Die Steuergeschenke, wie die Abschaffung der MwSt. für Waren des täglichen Konsums, plus andere Geschenke, die weichere Haltung gegenüber säumigen Steuerzahlern (mit einem jüngsten sehr großzügigen Moratorium) und eine Erweiterung von Konsumkrediten der Banken zu stark subventionierten Zinsen, und die Verringerung des Leliq-Bestandes bei entsprechender Geldschöpfung, all das hat zu einer starken Zunahme der monetären Basis, von $ 150 Mrd. seit Anfang September, geführt. Das Ziel der Nullzunahme, das mit dem IWF vereinbart worden war, wurde aufgegeben. Auch wenn ein Teil dieser Geldschöpfung die Nachfrage angetrieben hat, und mehr Konsum und einen mengenmäßig höheren Umsatz geschaffen hat, wird mit dieser Emission die Kosteninflation erleichtert. Zum Jahresende kommt noch eine weitere Geldschöpfung, von geschätzten $ 300 Mrd. hinzu, als Folge des zusätzlichen halben Jahresgehaltes der Staatsangestellten.
Zu dieser Konstellation kommt jetzt die Wirkung der selbsterfüllten Prophezeiung hinzu. Wenn allgemein mit höherer Inflation gerechnet wird, dann verhalten sich Unternehmer dementsprechend und erhöhen die Preise so viel sie können, auch wenn sie dabei einen geringen Absatz hinnehmen müssen.
Alberto Fernández wird als Präsident nicht vermeiden können, dass Dezember ein Monat mit hoher Inflation sein wird. Er muss sich bemühen, dass dies eine kurzfristige Erscheinung ist, und die Inflation im Januar viel weniger zunimmt. Das bedeutet jedoch, dass die Arbeitnehmer allgemein einen weiteren Reallohnrückgang hinnehmen, müssen, und dass der erwartete Aufschwung der Wirtschaft bestenfalls sehr bescheiden ist. Denn, wenn er sich bemüht, die Konjunktur anzukurbeln, dann springt die Inflation sofort davon, und dann gibt es auch keine Erholung der wirtschaftlichen Tätigkeit.
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