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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

„Ein großer Präsident“

Actualizado: 2 mar 2021

Zum Tode von Carlos Saúl Menem

Von Juan Alemann

Carlos Menem
Carlos Menem verstarb am Sonntag im Alter von 90 Jahren. (Foto: dpa)

Buenos Aires (AT) - Am letzten Sonntag ist Carlos Saúl Menem, von Juli 1989 bis Dezember 1999 Präsident Argentiniens, im Alter von 90 Jahren und sieben Monaten gestorben. Er hatte eine eigenartige Persönlichkeit. Er wirkte, bevor er Präsident wurde, eher wie ein Caudillo aus dem 19. Jahrhundert, und hatte eine beschränkte Bildung, obwohl er an der Universität Córdoba zum Anwalt ausgebildet wurde. Er war ursprünglich Muslim, ging aus politischen Gründen zum Katholizismus über, wurde aber jetzt auf dem islamischen Friedhof von Buenos Aires begraben. Merkwürdig.

Als er zum Präsidenten gewählt wurde, erwartete man nichts Gutes. Doch er zeigte sich als ein großer Staatsmann, der die Welt begriffen hatte und einen umwälzenden Modernisierungsprozess vollzog. Dazu gehört viel Mut.

Bei den internen Wahlen der Peronistischen Partei, die 1989 stattfanden, stellte er, damals Gouverneur von La Rioja, sich gegen den traditionellen und viel bekannteren Peronisten Antonio Cafiero, damals Gouverneur von Buenos Aires, den das politische Establishment von vornherein als Sieger betrachtete. Doch Menem hatte jahrelang das ganze Land besucht und persönlichen Kontakt mit den Bewohnern aufgenommen, wobei er seine Sympathie, sein Charisma und seine Geduld beim Zuhören zum Ausdruck brachte. Menem gewann die interne Wahl mit Abstand zu Cafiero. Das war eine große Überraschung. Dass er dann die nationale Wahl gegen den UCR-Kandidaten Eduardo Angeloz, Gouverneur von Córdoba, gewann, war nach dem schlechten Ende der Alfonsín-Regierung, die Anfang 1989 eine Hyperinflationswelle erlebte, zu erwarten.

Alfonsín trat vorzeitig zurück, und Menem wurde im Juli 1989, fünf Monate vor dem turnusmäßigen Termin, zum Präsidenten vereidigt. Er begriff sofort, dass er mit dem Populismus, den er während seiner Wahlkampagne gepredigt hatte, nicht weit kommen würde. Deshalb ernannte er einen ehemaligen Geschäftsführer des Konzerns Bunge & Born zum Wirtschaftsminister, und als dieser nach einer Woche verschied, ernannte er den bestehenden Geschäftsführer Néstor Rapanelli. Außerdem begann er sofort mit Privatisierungen, zunächst der Fernsehkanäle und dann des staatlichen Telefonunternehmens. Menem hat dabei klare Signale gegeben und wurde von der Wirtschaftswelt zunehmend positiv betrachtet.

Die Presse hat jetzt den Fall so dargestellt, dass Menem auf den Liberalismus übergegangen sei und den Peronismus verlassen habe. Aber das stimmt nicht ganz. Juan Domingo Perón hatte einige Monate vor seinem Tode vor Unternehmern einen Vortrag im Theater Cervantes gehalten, in dem er die Grundlagen der Wirtschaftspolitik darstelle, die er durchführen wollte. Einmal sprach er sich kategorisch für Privatisierungen aus.

Er sagte: „Die Staatsunternehmen haben uns nur Unannehmlichkeiten bereitet, und ich wünsche, dass die Herren Unternehmer sie alle übernehmen.” Und dann sprach er über den Justizialismus, seine Partei, und sagte, das einzig Unabänderliche sei das Konzept der sozialen Gerechtigkeit, aber sonst müsse man sich der Zeit anpassen, wobei er andeutete, dass er die damals in Europa bestehende Wirtschaftsordnung übernehmen wollte. Diese war grundsätzlich marktwirtschaftlich, aber mit starker Staatspräsenz und umfassender Sozialpolitik. Wie weit das mit Liberalismus gleichzusetzen ist, lässt sich diskutieren.

Carlos Menem hat im Grunde diese letzte Anweisung von Perón strikt befolgt. Er hat eine umfassende Privatisierung durchgeführt, dereguliert, aber gleichzeitig die Sozialpolitik ausgeweitet, Was bei den Privatisierungen gespart wurde, wurde für soziale Programme eingesetzt. Menem hat den letzten politischen Willen von Perón in die Praxis umgesetzt.

In den ersten Monaten 1990 trat eine neue Hyperinflationswelle ein. Menem verwendete sie, um seinen Politikern einen tiefen Schrecken einzujagen, sodass das Parlament seine Gesetzesprojekte über Privatisierung und Staatsreform verabschiedete. Er hatte die Krise als Chance verstanden. Dann bemühte er sich, die verfahrene Lage in den Griff zu bekommen.

Er schlug auch auf internationalem Gebiet einen klaren prowestlichen Kurs ein, als er beim US-Eingriff in Kuwait, das von Saddam Hussein überfallen worden war, Schiffe entsandte, die bei der Überwachung des Zugangs zum Kriegsort mitmachten. Danach hob er das Programm über Mittelstreckenraketen auf, das unter Alfonsín eingeleitet worden war, auf. Dies führte dazu, dass Brasilien und Chile ihre Rüstungsprogramme zur Verteidigung aufhoben, so dass es keine Kriegsgefahr mehr in der Gegend gab. Er stand unmissverständlich auf der Seite der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union.

Anfang 1991 ernannte er den Wirtschaftler Domingo Cavallo zum Wirtschaftsminister, nachdem er diesen vorher zum Außenminister ernannt hatte und ihn als solchen persönlich gut kennenlernte. Cavallo wurde durch die sogenannte Konvertibilität, also die Bindung des Peso an den Dollar zum Kurs von eins zu eins, berühmt. In der Tat gelang ihm dabei ein Wunder: Die Inflation wurde schnell überwunden, und die Wirtschaft wuchs gleichzeitig stark, mit einer BIP-Zunahme von 9 Prozent im Jahr 1991 und noch einmal 9 Prozent im Jahr 1992.

Während der ganzen Menem-Regierung stieg das BIP um 60 Prozent, bei einer sehr niedrigen Preiszunahme. Der Erfolg war jedoch nicht nur auf die Konvertibilität zurückzuführen, sondern im Wesen auf die umfassenden Privatisierungen, aus denen 67 Privatunternehmen hervorgingen. Mit der Telefonprivatisierung konnte die Kalamität des staatlichen Systems voll überwunden werden, mit einem guten Dienst, wie in fortgeschrittenen Ländern. Aber auch auf anderen Gebieten, wie Stromwirtschaft, Häfen, Erdöl- und Gaswirtschaft führte die Privatisierung zu hohen Investitionen und umwälzenden Effizienzfortschritten. Bei YPF nahm die Belegschaft im Rahmen der Privatisierung in kurzer Zeit von 52.000 auf cirka 10.000 Personen ab, bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktion. Insgesamt wurden an die 200.000 überflüssige Beamte bei privatisierten Staatsbetrieben abgebaut, was zunächst die Arbeitslosigkeit erhöhte. Argentinien hatte einen Sprung in die Modernität vollzogen.

Zu den Privatisierungen kamen noch Deregulierungen und zahlreiche tiefgreifende Reformen, wie die des Konkursrechtes. Unter Menem nahm der Außenhandel explosiv zu. Die Exporte stiegen von 1989 bis 1999 von u$s 9,58 Mrd. auf u$s 23,31 Mrd., und die Importe von u$s 4,2 auf u$s 25,51 Mrd. Dazu trug auch der Umstand bei, dass der Mercosur einen bedeutenden Impuls erhielt. Die Modernisierung ging mit einer starken Integration die Weltwirtschaft einher.

Menem war auf mehreren Gebieten realistisch. Er schloss Frieden mit den Streitkräften, indem er die Mitglieder der Militärjunta, die von März 1976 bis Dezember 1983 regiert hatten, u.a. Militärs begnadigte, dies aber auch auf Terroristenführer wie Mario Firmenich ausdehnte. Er hat die Politik von Alfonsín vollendet und einen Schlussstrich unter die konfliktive Vergangenheit gesetzt. Danach hat er den allgemeinen Militärdienst abgeschafft, der ein Anachronismus war.

Menem wurde wegen Korruption kritisiert. Aber er wurde in keinem konkreten Fall aus diesem Grund verurteilt. Beim Waffenexport nach Ecuador und Kroatien, der zu einem Prozess führte, bei dem er verurteilt wurde, ging es nicht um Überpreise und dergleichen, sondern nur darum, dass diese Lieferungen illegal waren, weil sie als Export nach Venezuela angegeben wurden.

Es gab auch Korruptionsfälle, die aus heutiger Sicht, nach der Megakorruption der Kirchners, als Lappalien erscheinen. Auf alle Fälle sind die Korruption und andere Ungereimtheiten der Menem-Regierung höchstens ein kleiner Fleck, wenn man sie mit der gigantischen Umwälzung vergleicht, die Menem zu verdanken ist. Auch sein holpriges Privatleben mit zwei Hochzeiten und Scheidungen und allerlei Affären mit Frauen ändert nichts am Staatsmann, der er war. Carlos Saúl Menem gehört zweifellos zu den großen Präsidenten Argentiniens.



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