Von Juan E. Alemann
Von den zahlreichen Maßnahmen, die am Mittwoch der Vorwoche angekündigt wurden, dürfte nur die Einfrierung der Tarife öffentlicher Dienste für dieses Jahr, der sich die Regierungen der Stadt und Provinz Buenos Aires angeschlossen haben, eine direkte Wirkung auf die Inflation haben. Die Beibehaltung der bestehenden Obergrenze des Dollarkurses (die nicht mehr indexiert wird), die ZB-Präsident Guido Sandleris einen Tag vorher angekündigt hat, hat faktisch keine Bedeutung, da der Kurs ohnehin noch weit entfernt von dieser Grenze liegt und man an Hand der objektiven Analyse von Angebot und Nachfrage auf diesem Markt wohl keine Sprünge erwarten sollte. Ein einigermaßen stabiler Wechselkurs trägt auch zur internen Preisberuhigung bei, die dann wieder zu einer geringeren Dollarnachfrage führt, so dass die ZB eventuell gezwungen wäre Dollar auf dem Markt zu kaufen, was kein Problem sein sollte. Das Einzige, was alles über den Haufen werfen kann, ist die Aussicht, dass Cristina K. die Wahl gewinnt. Dann ist schon vor der Amtsübernahme der Teufel los. Das könnte schon mit den PASO-Wahlen im August beginnen. Auf dem internationalen Finanzmarkt sind diese Maßnahmen schlecht angekommen: die Landesrisikorate sprang sofort auf 854 und dann auf 963 Punkte. Allerdings kommt hier auch die Furcht vor einer Rückkehr von Cristina zum Ausdruck.
Die 64 Produkte (es handelt sich um bestimmte Marken) des täglichen Konsums, deren Preise bis zum Jahresende in Supermärkten unverändert bleiben sollen, haben eine beschränkte Wirkung auf die Preise im allgemeinen. Bei einigen Produkten hatte dies die unmittelbare Folge, dass die Preise sofort erhöht wurden, um sie dann halten zu können. Wie weit das INDEC jetzt diese Preise und nicht andere nimmt, von Produkten, deren Preise frei sind, um den Index der Konsumentenpreise zu berechnen, sei dahingestellt. Dass hier den Konsumenten die Gelegenheit gegeben wird, sich billiger zu versorgen, ist in Ordnung und wird viele Haushalte begünstigen. Es ist jedoch eher zu erwarten, dass die Preise der Güter, um die es hier geht, allgemein nicht viel steigen, weil nicht abgewertet wird, die Tarife nicht erhöht werden, und nicht zuletzt, weil die Käufer jetzt preisbewusster geworden sind und nicht jede Preiserhöhung passiv hinnehmen. Eventuell haben die eingefrorenen Preise auch die Wirkung, das die von analogen Produkten nicht oder nur wenig erhöht werden.
Beiläufig wurden auch die Preise für bestimmte populäre Rindfleischschnitte eingefroren, aber nur beim Zentralmarkt von Buenos Aires und den eigenen Metzgereien dieser Schlachthöfe. Das ist eine eigenartige Maßnahme, die eine sehr beschränkte Wirkung und wenig Sinn hat. Denn bei den Metzgern und Supermärkten ändert sich dabei gar nichts.
Andere Maßnahmen, wie die Kredite mit ANSeS-Geldern, haben eine beschränkte Wirkung auf die Konjunktur. Angeblich sollen die Mittel aus dem Sonderfonds der ANSeS stammen. Die Frage ist, ob dann Aktien verkauft werden, was in Ordnung wäre (da der Staatsbesitz von Aktienpaketen ohnehin keinen Sinn hat) oder Staatstitel, so dass die finanzielle Last schließlich auf die Staatskasse übertragen wird. Mit diesen Krediten wird eine beschränkte Zahl individueller Probleme gelöst, aber kaum ein allgemeiner Konjunkturumschwung herbeigeführt.
Ebenso ist die neue Regelung von Steuerschulden in Ordnung, und eventuell bringt dies dem Fiskus Geld, da sich die Schuldner anstrengen müssen, um die monatlichen Raten zu zahlen, während sie vorher gar nichts zahlten. Außerdem wird dadurch vermieden, dass die betroffenen Unternehmen in eine immer schwierigere Lage geraten und dann nicht in der Lage sind, um bei einer kommenden Aufschwungphase aktiv mitzumachen. Das Steueramt erschwert säumigen Unternehmen mit Beschlagnahmen u.dgl. die Möglichkeit, eine kritische Lage zu überwinden. Das normale Verfahren der AFIP sollte dringend revidiert werden. Mit der Ausnahmeregelung, die jetzt geschaffen wurde, genügt es nicht.
Die verschiedenen Maßnahmen bedeuten gesamthaft erhöhte Ausgaben (u.a. weil die Tarifeinfrierung höhere Subventionen erfordert) und einen Verlust an Einnahmen für den Fiskus, was alles schwer zu verkraften ist. Was sagt der IWF dazu? Ohnehin nehmen die Steuereinnahmen schon zu konstanten Werten oder im Verhältnis zum BIP wegen der Rezession stark ab, so dass das Plansoll, auf dem das diesjährige primäre Nulldefizit beruht, nicht erreicht wird. Vorläufige Berechnungen ergeben ein zusätzliches Defizit, das durch die neuen Maßnahmen geschaffen wird, von über 1% des BIP.
Doch wenn die Konjunktur schließlich noch in diesem Jahr aufwärts geht, wie wir und mehrere private Wirtschaftler (u.a Orlando Ferreres) es erwarten, dann bessern sich auch die Aussichten für die Staatskasse. Allein, damit der Aufschwung nicht monetär abgewürgt wird, muss die Geldpolitik geändert werden. Die hohen Zinsen, die grundsätzlich bestehen, weil die Regierung über die Leliq-Schatzscheine flüssige Mittel der Banken abschöpft, um Dollarkäufe zu verhindern, treiben das ganze Zinsgefüge in die Höhe. Solange dieses Problem nicht gelöst wird, ist der erwartete Konjunkturaufschwung gefährdet. Die Regierungswirtschaftler wissen nicht, wie sie das Problem lösen könnten. Sie lesen das Argentinische Tageblatt nicht. Schlimm!
Die neuen Maßnahmen werden gelegentlich als eine Abkehr von der Wirtschaftspolitik der Macri-Regierung ausgelegt. In der Tat gehören viele der Maßnahmen mehr zur Wirtschaftspolitik der Kirchners als der von Macri. Indessen sollte man nicht vergessen, dass es sich im Wesen nur um eine wahlbedingte Pause handelt, die am grundsätzlichen Kurs nichts ändert. Das ganze Paket sieht auf ersten Blick nach viel mehr aus, als es in Wirklichkeit enthält. Und wenn damit die angestrebte Wirkung erreicht wird, dass die Wahlaussichten sich für Macri verbessern, dann wird auch sein grundsätzlicher wirtschaftspolitischer Kurs gestärkt, der u.a. auf dem Vertrauen in die Regierung fußt, das notwendig ist, um ihn politisch durchhalten zu können.
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