Von Juan E. Alemann
Der tiefe Gegensatz zwischen dem Kirchnerismus und dem Macrismus u.a. demokratischer Gruppen wird auf spanisch als “grieta” bezeichnet, was auf deutsch als Riss, Spalt oder Bruchlinie übersetzt wird. Wir ziehen jedoch das Wort Kluft vor, dass auf spanisch mit “abismo” übersetzt wird. Denn der Gegensatz geht weit über die Differenz hinaus, die normalerweise zwischen den Parteien besteht. Bei der Präsidentenwahl vom Oktober geht es nicht um “Demokraten gegen Republikaner”, oder CDU gegen SPD, oder etwas ähnliches, sondern um eine grundsätzliche Entscheidung über die Rahmenordnung der argentinischen Gesellschaft.
Das erklärt auch, weshalb die negative Motivation jetzt so stark hervortritt: ein großer Teil der Gesellschaft will auf alle Fälle keinen Kirchnerismus, und in was dabei die Option besteht, ist von zweitrangiger Bedeutung. Wie weit rationell begriffen wird, was der Kirchnerismus darstellt, sei dahingestellt. Viele Kirchneristen verstehen es selber nicht. Aber intuitiv begreifen sehr viele Menschen, dass der Kirchnerismus totalitär ist und nicht ihrer Vorstellung von einer modernen demokratischen Gesellschaft entspricht. Man will schließlich wie in den Vereinigten Staaten oder Deutschland leben, aber nicht wie in Kuba oder Venezuela.
Néstor und Cristina Kirchner haben in den zwölf Jahren ihrer Regierung gezeigt, was sie sind und Mauricio Macri in seinen dreieinhalb Jahren auch. Die Kirchners hatten einen diktatorischen Regierungsstil, haben Gegner verfolgt, die Justiz abhängig gemacht und eine Wirtschaftspolitik mit hoher Staatsintervention und auch Rückverstaatlichung privatisierter Staatsunternehmen vollzogen. Zudem haben sie die Entscheidungsfähigkeit privater Unternehmen stark eingeschränkt. Es handelt sich im Grunde um einen Weg zum Kommunismus.Wenn man diesen Weg einmal beschritten hat, dann endet er wie in Venezuela oder Kuba. Es ist der “Weg zur Knechtschaft”, den Friedrich von Hayek schon 1945 meisterhaft beschrieben hat.
Diese Politik wird in einen Populismus gekleidet, der unmittelbare Vorteile auf weiter Ebene schafft, wie anormal niedrige Tarife für öffentliche Dienste, aber die Grundlage für eine bessere Zukunft zerstört, die auf Investitionen, Effizienz und Weltoffenheit beruht. Der Kirchnerismus schottet Argentinien von der Welt ab, eben weil das ganze System mit der bestehenden Weltordnung unvereinbar ist. Schließlich ist im Kirchnerismus die Korruption Mittel zum Zweck, und hat somit keine weitere Bedeutung.
Der Kirchnerismus besteht im Kern im Übergang der Montonero-Terroristen von der Gewalt auf die Politik, wie es Antonio Gramsci geraten hat. Die Montoneros wurden seinerzeit von Perón in die Partei aufgenommen, doch später rausgeschmissen. Das ist notorisch zum Ausdruck gekommen, als Perón kurz vor seinem Tod vor einer Menschenmenge auf der Plaza de Mayo sprach und von einer jugendlichen Gruppe arg beschimpft wurde, worauf er wütend antwortete. Diese Rebellen, unter denen sich zwei junge Studenten, Néstor Kirchner und Cristina Fernández, befanden, verließen dann den Maiplatz.
Macri symbolisiert die Demokratie, was auch dadurch betont wird, dass die Radikalen, die eine über hundertjährige streng demokratische Tradition aufweisen, zur Koalition Cambiemos gehören. Macri achtet die Spielregeln der Demokratie, was auch zu allerlei Schwierigkeiten führt, weil alles diskutiert wird und harte Entscheidungen dabei kompliziert sind. Macri ist für Rationalität, Integrierung in die Welt, Achtung der Justiz, effiziente Verwaltung, und, vor allem, keine Duldung der Korruption. Es geht jetzt um zwei völlige entgegengesetzte Auffassungen über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
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