Von Juan E. Alemann
Die argentinische Regierung fordert viel vom Internationalen Währungsfonds, der ohnehin 2018 mit der Gewährung eines Kredites von insgesamt über u$s 56 Mrd. (von denen schließlich nur u$s 44 Mrd. ausgezahlt wurden) den größten Kredit seiner Geschichte erteilt hatte. Jetzt soll für die Rückzahlung eine realistische Lösung vereinbart werden, mit Streckung der Amortisationsquoten und voraussichtlich (wie es Präsident Fernández schon geäußert hat) mit zwei Jahren Karenzfrist, während denen die Schuld nicht amortisiert wird, und wahrscheinlich die Zinsen zur Schuld addiert werden. Für die Generaldirektorin des Fonds, Kristalina Georgiewa, und noch mehr für ihre Fachbeamten, ist es nicht einfach, dies zu gewähren. Einige von denen, die am Kredit von Mitte 2018 mitgewirkt haben, haben schon eine milde Strafe erlitten, durch Versetzung auf zweitklassige Posten.
Die Entscheidung muss somit vom Vorstand des IWF getroffen werden. Um das geht es schließlich beim persönlichen Kontakt, den Alberto Fernández jetzt mit führenden Staatsmännern der Welt aufgenommen hat. Dass er in Jerusalem ein dreistündiges Gespräch, mit Mittagessen, mit Benjamin Netanjahu hatte, ist einmal ein Zeichen der Annäherung an die Vereinigten Staaten und dann auch eine Geste gegenüber der jüdischen Weltgemeinschaft, um den schlechten Ruf zu überwinden, den Cristina Kirchner mit dem absurden Abkommen mit Iran hinterlassen hatte. Dass er in Israel von Axel Kicillof begleitet wurde, ist in diesem Sinn auch wichtig, weil dieser für Cristina steht. Die Präsenz von AF beim Treffen anlässlich der Erinnerung den Holocaust, sollte auch zeigen, wo Argentinien politisch steht. Die große Welt hilft jemand, der weltpolitisch auf ihrer Seite steht, viel leichter, als einem Land, dass auf der Seite von Iran und Venezuela steht.
Die nachträglichen Treffen mit den Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien dienen grundsätzlich dem Zweck, ihre Unterstützung beim IWF zu erhalten. Die Vereinigten Staaten haben im IWF-Direktorium 16% der Stimmrechte, und sie stellen außerdem faktisch den Vizepräsidenten, jetzt in der Person von David Lipton. Mit den Stimmen der genannten Länder und eventuell einiger mehr, die bestimmt für Argentinien stimmen, wie Brasilien und Mexiko, kann eine bequeme Mehrheit zustande kommen, die die Genehmigung des neuen Abkommens mit Argentinien befürwortet.
Das Abkommen mit dem IWF hat eine weittragende Bedeutung. Wenn Argentinien wieder in Default gerät, dann ist das Land vom internationalen Finanzmarkt ausgeschlossen, und zwar auf lange Zeit. Allein, auch mit Abkommen ist nicht zu erwarten, dass es sofort Zugang zu Bankkrediten und auch die Möglichkeit der Unterbringung von Staatstiteln auf dem internationalen Finanzmarkt gibt. Das verleiht Politiker vom linken Spektrum u.a. dazu, zu denken, dass es somit konveniert, die Schuld überhaupt nicht zu zahlen. Nach dem Megadefault von 2001/02 hat Néstor Kirchner den Vorschlag an die Gläubiger bis Mitte 2005, also zwei Jahre lang, hinausgeschoben, was die Erholung aus der tiefen Krise, die Ende 2001 und Anfang 2002 eingetreten war, erleichterte, da keine Amortisation und keine Zinsen auf die Schulden gezahlt wurden. Doch der Fall ist nicht so einfach.
Ein Default bedeutet auch, dass die Kredite der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID), der Andenkörperschaft, chinesischer u.a Banken beschränkt oder gestrichen werden. Ebenfalls ist es dann fragwürdig, ob die staatlichen Institute, die politische Risiken versichern (wie Hermes in Deutschland und Coface in Frankreich), dies weiter tun. Das könnte somit die Kredite beschränken, die für Finanzierung von Kapitalgüterlieferungen bestimmt sind. Schließlich würde ein Default auch bei anderen Geschäften, und besonders bei Kapitalinvestitionen, störend wirken.
Das Problem, das sich mit dem IWF und auch mit Investmentfonds u.a. Gläubigern stellt, ist das Misstrauen, das in ein Land besteht, das seine Versprechen immer wieder nicht eingehalten hat. Das betrügerische Verhalten der Kirchners gegenüber den Gläubigern ist noch frisch in Erinnerung. Es ist gewiss nicht einfach, den IWF und die anderen Gläubiger zu überzeugen, dass es dieses Mal anders sein wird. Es müssten im neuen Abkommen Strafmaßnahmen vorgesehen werden, für den Fall, dass Argentinien die Auflagen des Abkommens nicht erfüllt. In was diese Maßnahmen bestehen, darüber muss man wohl noch viel nachdenken.
Argentinien muss als erstes das Defizit bei den Staatsfinanzen ausmerzen. Das ist gewiss nicht einfach, besonders wenn die neue Regierung die Sozialausgaben erhöhen will und schon mit konkreten Maßnahmen in diesem Sinn begonnen hat. Die Regierung muss ein klares Bewusstsein der Knappheit der finanziellen Mittel haben, was an erster Stelle bei Staatsinvestitionen zum Ausdruck kommt. Die Finanzierung von Objekten wie das Kohlebergwerk Rio Turbio, auch der Straße 9 in Santa Cruz, und eventuell auch der Wasserkraftwerke am Fluss Santa Cruz, ist von vorne herein nicht möglich. Und viele andere Investitionsprojekte, die objektiv besser als die angeführten sind, müssen auch ad calendas graecas vertagt werden. Und dann müssen auch die laufenden Ausgaben durchkämmt werden. Das ist alles gewiss nicht einfach, und stellt auch ein politisches Problem.
Es wäre wichtig, wenn man beim primären Defizit (vor Zinsen) unterscheidet, was zur Finanzierung des laufenden Defizits eingesetzt wird, und was für Kapitalinvestitionen bestimmt ist. In Deutschland besteht eine gesetzliche Bestimmung, die das Defizit der Staatsfinanzen auf den Umfang der Staatsinvestitionen als Höchstgrenze beschränkt. Das kommt zur Verpflichtung hinzu, das Defizit auf 3% des BIP zu beschränken, wie es das Maastricht-Abkommen verpflichtet. So etwas sollte auch hier eingeführt werden. Bei der staatlichen Buchhaltung werden Ausgaben für Investitionen voll als Ausgaben behandelt, während bei der privaten Buchhaltung nur die jährliche Amortisation als Ausgabe betrachtet wird. Das führt zu Konfusion und gelegentlich zu falschen Schlussfolgerungen bei der Analyse des Defizits.
Ein Defizit, das mit einem Weltbankkredit finanziert wird sollte dabei geduldet werden, während eines, das auf überhöhten laufenden Ausgaben beruht, in keinem Fall sein sollte. Es wäre wichtig, wenn die Regierung die staatliche Buchführung in diesem Sinn gestaltet, um eine gewisse Flexibilität bei der Einhaltung der Defizitziele zu erhalten.
Was wir hier darstellen ist mehr als eine buchhalterische Spielerei. Es ist eine Grundlage für eine rationelle Diskussion über Staatsfinanzen und Staatsdefizite. Und deshalb sollte dies sofort in dieser schwierigen Stunde in Angriff genommen werden.
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