Von Juan E. Alemann
Nach dem Zweiten Weltkrieg handelten die Siegermächte anders als nach dem Ersten. Angeführt von den Vereinigten Staaten von Amerika, vertraten auch Großbritannien und Frankreich das Konzept, dass man eine stabilere Struktur für die Weltwirtschaft schaffen müsse, ohne Rückblick auf die Gräuel des Krieges, ohne Strafen und Vergeltung, und mit Blick auf die Zukunft. Die Erinnerung an den großen Fehler, den die gleichen Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg begangen hatten, als sie von Deutschland unbezahlbare Reparationsgelder gefordert haben, wurde nicht wiederholt, und statt dessen gab es einen Marshall-Plan, der in einer gigantischen Hilfe für den Wiederaufbau von Deutschland bestand, die in heutigen Werten auf u$s 70 Mrd. berechnet wird. Der Ökonom John Maynard Keynes hatte gleich nach dem Vertrag von Versailles auf die Folgen der Reparationszahlungen hingewiesen und sie als großen Fehler bezeichnet. In der Tat führten sie zur Hyperinflation von 1923 und dabei auch zum Aufkommen des Nazismus.
Dieses Mal wurde anders vorgegangen, auch weil die Gefahr bestand, dass die Sowjetunion in Europa vordringen oder zumindest kommunistische Regierungen herbeiführen könnte. Die Sieger kamen 1944 in Bretton Woods, USA, zusammen, und gründeten dort zunächst die Weltbank (Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) und dann, am 17. Dezember 1945, den Internationalen Währungsfonds. 29 Staaten beteiligten sich an der Gründung. Heute zählt der IWF 189 Mitglieder. Hinzu kam dann auch das GATT (“General Agreement on Tariffs and Trade”), das sich um freien Handel bemühte und in den 90er Jahren in Welthandelsorganisation umgewandelt wurde. Und dann kamen noch andere internationale Organisationen hinzu. All das hat zum Frieden der Welt beigetragen und auch der Weltwirtschaft einen starken Schub gegeben.
Der Internationale Währungsfonds wurde gegründet, um Ländern, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befanden, zu helfen, sie zu überwinden. Der IWF gewährte Kredite, die grundsätzlich an zwei Bedingungen gebunden waren: die Sanierung der Staatsfinanzen, mit dem Ziel eines Gleichgewichtes beim Staatshaushalt, und die Überwindung von Ungleichgewichten bei der Zahlungsbilanz. Dabei hat der Fonds vielen Ländern geholfen, Krisen mit viel geringeren wirtschaftlichen und sozialen Kosten zu überwinden, als sie ohne diese Hilfe eingetreten wären. Beiläufig sei bemerkt, dass der Fonds den Vereinigten Staaten u.a. großen Staaten nicht helfen kann, weil er dabei überfordert würde. Im Fall von Griechenland hat der Fonds mitgewirkt, die Kernhilfe jedoch der Europäischen Union überlassen.
Argentinien trat zunächst, unter der Regierung von Perón, dem IWF nicht bei. Das entsprach dem nationalistischen und stark autarkischen Konzept von Präsident Perón. Erst nach der Revolution von 1955, mit Pedro Eugenio Aramburu als Präsident, trat Argentinien dem Währungsfonds und auch der Weltbank bei. Danach gab es viele “standby-Abkommen”, die Argentinien verhalfen, die sich wiederholenden Zahlungsbilanzkrisen zu überwinden.
Der IWF hat strenge Regeln, und das kann wohl nicht anders sein. Denn sonst würde er seine Darlehen nicht zurückerhalten und sein Kapital aufbrauchen, und könnte nicht weiter tätig sein. Dennoch ist es dem Fonds nicht gelungen, die sukzessiven argentinischen Regierungen zu einer effektiven Ordnung ihrer Staatsfinanzen zu führen. Unter der Menem-Regierung begrüßte der Fonds den großen Fortschritt, der damals erreicht wurde, mit Preisstabilität ab 1991, starkem Wachstum und Lösung vieler struktureller Probleme, und lud Präsident Carlos Menem sogar ein, um bei der Generalversammlung von 1998 eine Rede zu halten. Nie vorher hatte der Fonds einem Staatspräsidenten diese Ehre gewährt. Doch auch Menem enttäuschte den IWF schließlich, mit zu hohen Ausgaben, zum Teil mit Blick auf die Wahlen von 1999, und einem relativ hohen Defizit der Staatsfinanzen. Menem war am Schluss zum traditionellen Verhalten zurückgekehrt, statt den Kurs zu verhärten, um die erreichte Stabilität zu retten und die Katastrophe zu vermeiden, die 2001 eintrat. Schade.
Präsident Fernando de la Rúa (1999/01) schloss 2001 auch ein Abkommen mit dem Fonds ab, aber sein Wirtschaftsminister Cavallo begriff nicht, dass er die eingegangen Verpflichtungen auch erfüllen musste. So senkte er 2001 die Unternehmerbeiträge zum Pensionssystem, ohne Genehmigung des Fonds, womit das Haushaltsdefizit stieg, und der Fonds zahlte dann eine Quote von über eine Milliarde Dollar nicht aus. Das führte direkt zu einer finanziellen Megakrise, die im Default endete. De la Rúa und Cavallo hatten offensichtlich den Ernst der Lage nicht begriffen, und der Fonds hat es auch nicht geschafft, es ihnen zu erklären. Damals hatte der Fonds eine sehr harte Haltung, die besonders die Vertreterin der USA, Anne Krueger, verkörperte. Sie meinte, dass die Staaten nur so dazu gebracht würden, sich an die Spielregeln des Fonds zu halten, in ihrem eigenen Interesse.
Das hat sich geändert, sehr betont seit Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten ist. Auf Druck der USA, aber mit Zustimmung der anderen Staaten, hat der Fonds im Juni 2018 beschlossen, Argentinien mit einer noch nie vorher gewährten Summe zu unterstützen. Dass dabei die persönliche Freundschaft von Mauricio Macri mit Donald Trump eine Rolle gespielt hat, mag sein; aber grundsätzlich ging es Trump darum, Argentinien nicht fallen zu lassen, und dem Land zu helfen, sich zu entwickeln, und dabei auch eine positive Wirkung auf ganz Lateinamerika zu haben. Argentinien ist für die Lateinamerikapolitik der Vereinigten Staates sehr wichtig. Die Fondshilfe war im Wesen eine politische Entscheidung, die über die normale Funktion des IWF weit hinausging.
Der Fonds gewährte zunächst Mitte 2018 einen Kredit von u$s 50 Mrd., der nach einigen Wochen um u$s 7 Mrd. erhöht wurde. Der IWF setzte zunächst durch, dass der Wechselkurs frei schwanken müsse, ohne Intervention der ZB. Das entspricht der IWF-Doktrin, wobei dadurch auch vermieden wird, dass die Kapitalflucht erleichtert und indirekt vom Fonds finanziert wird. Doch einige Wochen später, beim Zusatzabkommen, wurde eine Bandbreite eingeführt, innerhalb der der Kurs weiter frei schwanken sollte, aber der ZB wurde erlaubt, bei Übertretung der Obergrenze Dollar aus den Reserven zu verkaufen und bei Übertretung der Untergrenze Dollar zu kaufen, aber in beiden Fällen nur bis zu u$s 150 Mio. pro Tag. Doch die Bandbreite war sehr hoch (30% von unten nach oben berechnet), so dass es weiter Kursschwankungen gab, die eine verheerende Wirkung auf die Wirtschaft hatten. Somit erlaubte der Fonds vor einigen Wochen den Verkauf von bis zu u$s 60 Mio. pro Tag. Und dann wurde in der Vorwoche auch diese Regel aufgehoben, und eine direkte Kurspflege erlaubt, so dass zwar kein fester Wechselkurs besteht, aber Kursschwankungen minimal sein sollen. Der IWF hat erlaubt, dass u$s 9 Mrd. für diesen Zweck eingesetzt werden können. Obwohl es nicht ausdrücklich erwähnt wurde, kann die ZB jetzt auch Dollar kaufen, um unerwünschte Schwankungen nach unten zu mildern. Die Grenzen der Bandbreite ($ 39,755 und $ 51,455) haben somit ihre ursprüngliche Bedeutung eingebüßt.
Schließlich hat sich die These der argentinischen Wirtschaftsführung, lies Dujovne, Sica und Sandleris, durchgesetzt, dass in Argentinien der Wechselkurs einen direkten Einfluss auf das Preisgefüge und die Konjunktur hat, wie in keinem anderen Land, wobei Kurssprünge wie der von von 9% vor zwei Wochen, die Inflation sofort in die Höhe treiben. Und so ist es schwer, eine Wahl zu gewinnen. Dass es jetzt darum geht, hat Trump gut verstanden. Aber den Fondsbürokraten fiel es schwer, politisch zu denken und auch den Sonderfall Argentinien mit seinem bimonetären System zu verstehen, und entsprechend zu handeln.
Die argentinische Regierung hat mit der Zustimmung der US-Regierung gehandelt. Der IWF-Delegierte Cardarelli, der nach Argentinien geschickt wurde, um sich zu unterrichten, bestand zunächst auf der bisherigen Position des Fonds, war also nicht einverstanden mit der direkten Kurspflege, und hatte in diesen Sinn eine harte Diskussion mit ZB-Präsident Guido Sandleris. Doch schließlich wurde ihm mitgeteilt, dass der US-Vertreter im Fondsdirektorium, David Lipton, sich mit der argentinischen Position einverstanden erklärt hatte. Die US-Regierung hat sich durchgesetzt, und auch andere Regierungen, wie die von Deutschland, die am Anfang die IWF-Fachleute unterstützten, haben schließlich die US-Position unterstützt. Die großen Länder der Welt haben einen Blankoscheck an Argentinien ausgestellt, und Präsident Mauricio Macri muss jetzt zeigen, dass er dem Vertrauen würdig ist, das ihm die große Welt geschenkt hat. Es ist eine einzigartige Chance für Argentinien, aber auch eine Schicksalsfrage für das Land. Und dessen sollten sich auch die Oppositionspolitiker bewusst sein.
Comments