„Glücklich, wenn ich musizieren kann“
Berlin (dpa) - Kaum eine Persönlichkeit hat die Welt der klassischen Musik in den vergangenen Jahrzehnten so aktiv geprägt wie Daniel Barenboim. Zudem ist der Pianist, Dirigent und Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden in seinem Bemühen um Aussöhnung auch gesellschaftspolitisch stets eine treibende Kraft. Seinen 80. Geburtstag am Dienstag wollte Barenboim eigentlich umfassend musikalisch zelebrieren: Als Dirigent der Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“, als Pianist beim Konzert mit seiner Staatskapelle unter Leitung seines Freundes Zubin Mehta.
„Ich bin immer glücklich, wenn ich musizieren kann“, sagt Barenboim jüngst noch bei einem seiner Gespräche mit der Deutschen Presse-Agentur. Doch das Festprogramm musste er streichen. Anfang Oktober kündigt Barenboim wegen einer schweren neurologischen Erkrankung einen vorläufigen Rückzug vom Musikbetrieb an. Inzwischen hofft er, bald so weit genesen zu sein, dass er seine Aufgaben wieder wahrnehmen kann - Zeitplan allerdings offen.
Seit frühester Kindheit dreht sich Barenboims Leben um Musik. Der Enkel jüdischer Einwanderer wird 1942 in Buenos Aires geboren. Sein Vater gibt dem Fünfjährigen Klavierunterricht. Beim ersten Konzert wird er gefeiert, Barenboim ist sieben Jahre alt. 1952 ziehen Ada und Enrique Barenboim mit ihrem Sohn nach Israel und damit näher an die europäischen Musikzentren.
Barenboims Leben wird international und künstlerisch vielfältig. Mit zehn Jahren debütiert er bei den Salzburger Festspielen, in Rom geht er mit zwölf als jüngster Schüler in die Dirigentenklasse an der Accademia di Santa Cecilia. Ende der 60er steht Barenboim immer häufiger am Dirigentenpult internationaler Orchester. Er wird künstlerischer Direktor der Pariser Bastille-Oper, Musikdirektor am Teatro alla Scala di Milano, Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra. Er steht in Bayreuth und Salzburg am Pult, dirigiert die Berliner und Wiener Philharmoniker.
1992 zieht es Barenboim als Generalmusikdirektor an die Berliner Staatsoper. Während der Ruf an die Spitze der benachbarten Philharmoniker ausbleibt, wird die Staatskapelle unter Barenboim mit einem ganz eigenen Klang zu einem Orchester von Weltruf. Auch am Klavier geht Barenboims Repertoire weit über das übliche Maß hinaus. Für ihn ist Musik ein Schlüssel zum Verständnis der Welt - davon will er unendlich viele haben.
Auch jenseits von Pult und Tastatur setzt Barenboim auf Vielfalt und Verbindendes. „Ich bin weder nur Jude, Argentinier oder in Deutschland lebender Musiker - ein moderner Mensch definiert sich vor allem durch die Möglichkeit, mehrere Identitäten zu haben.“ Offenheit, die anecken kann. In Israel löst der Humanist und Weltbürger einen Skandal aus, als er den Antisemiten Wagner spielt. Immer wieder äußert er sich zum Nahost-Konflikt. „Ich kämpfe gegen die Ignoranz - der Israelis und der Palästinenser.“
Herausgehobene Stellungen können mitunter zu Fehlern führen. Vor drei Jahren werden Vorwürfe laut, Barenboim missbrauche Machtstrukturen. Es folgen Widerspruch und Untersuchungen. Schließlich wird sein Vertrag als Generalmusikdirektor bis 2027 verlängert. Den Posten als Chef der Staatskapelle hat ihm das Orchester schon länger zugesichert - auf Lebenszeit.
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