Die Regierung von Brasilien hat über die Ministerien für auswärtige Beziehungen und für Wirtschaft Ende der Vorwoche bekanntgegeben, dass die bestehenden Zollsätze bei Importen aus Ländern, die nicht dem Mercosur angehören, um 10% (aber nicht 10 Prozentpunkte) gesenkt hat. Diese Zollsenkung umfasst 87% der gesamten Importe aus diesen Ländern. Dabei wurden sogenannte “sensible” Produkte (solche, die den Handel mit Mercosur-Partnern betreffen) nicht eingeschlossen, wie Kfz., Textilien, Schuhe, Spielzeuge und Milchprodukte. Der Handel mit dem Mercosur-Partnern soll dabei so wenig wie möglich betroffen werden. Die Maßnahme wird sich dennoch auf den Mercosur-Handel auswirken, weil Teile verbilligt werden, die Produkten einverleibt werden, die nach den Mercosur-Partnern exportiert werden, oder in Brasilien mit Produkten aus diesen Ländern konkurrieren.
Dieser einseitige Beschluss verletzt die Mercosur-Ordnung, auch wenn die brasilianische Regierung mit der Ausnahme zahlreicher Produkte ein Zeichen gesetzt hat, dass der normale Mercosur-Handel nicht beeinträchtigt werden soll. Die Zollsätze gegenüber Drittländern müssen von den Mercosur-Mitgliedern (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) einstimmig beschlossen werden. Bis es keine Einigung gibt, bleibt alles wie es ist. Die Zölle gegenüber Drittländern waren vor dem Mercosur-Abkommen sehr unterschiedlich, und das wurde nie geändert.
Das Thema ist jetzt konfliktiver geworden, weil die Regierung von Bolsonaro auf Liberalisierung und Eingliederung in die Welt hinsteuert, die von Alberto Fernández hingegen auf Schließung und strenge Importverwaltung. Brasilien hat allgemein eine geordnete Wirtschaft, mit einstelliger Inflation, hohen ZB-Reserven und einer wachsenden Wirtschaft, mit guten Beziehungen zu den großen Staaten, während in Argentinien so ungefähr genau das Gegenteil der Fall ist. Abgesehen von der Ideologie kann sich Argentinien eine Öffnung nicht leisten, besonders solange nicht, bis das Umschuldungsabkommen mit dem IWF abgeschlossen ist.
Abgesehen vom Konflikt zwischen Argentinien und Brasilien besteht auch einer mit Uruguay, dessen Regierung Freihandelsabkommen mit Drittländern abschließen will. Auch das ist vom Mercosur-Abkommen verboten, das vorsieht, dass nur der Mercosur solche Abkommen abschließen kann. Uruguay verhandelt schon mit China über ein Abkommen.
Es ist wirklich an der Zeit, den Mercosur gründlich zu durchdenken und ihn der Realität anzupassen, die bei den einzelnen Mitgliedern völlig anders ist. Der Mercosur müsste in eine Freihandelszone umgewandelt werden, die Einzelmaßnahmen der Mitglieder erlaubt und genau bestimmt, in welchen Bereichen der Handel unter den Mitgliedern völlig frei ist, wobei er eventuell auch beschränkt sein kann, wie es jetzt schon der Fall ist. Der Kfz-Handel hält sich immer noch an das Abkommen über kompensierten Austausch, obwohl es formell schon abgelaufen ist und nicht mehr gelten sollte. Der Import von brasilianischem Zucker ist in Argentinien nicht zugelassen, weil sonst die argentinische Zuckerindustrie verschwinden würde. Es bestehen auch Beschränkungen bei Sportschuhen und Denim-Stoffen. Und auch hemmt Brasilien argentinische Lieferungen.
Ob dabei die Bezeichnung Mercosur aufgegeben wird oder nicht ist belanglos. Ein Freihandelsabkommen lässt auch als ein unvollständiger gemeinsamer Markt, also ein zollfreier unbeschränkter Handel mit vielen Ausnahmen und Beschränkungen, verkaufen. Die Diskussion muss um den Inhalt und nicht die Form gehen. Aber die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes ist schlicht grotesk.
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