Von Juan E. Alemann
Die Finanzen des Bundesstaates weisen im 1. Halbjahr 2019 eine Besserung aus, die sich jedoch nur auf einen Teil des Problems bezieht. Das primäre Ergebnis ist viel besser geworden, aber die Zinslast ist gestiegen. Im 1. Halbjahr wurde ein primärer Überschuss von $ 30,22 Mrd. erreicht, der sich mit einem Defizit von $ 105,82 Mrd. in der gleichen Vorjahresperiode vergleicht. Das mit dem IWF vereinbarte Ziel wurde somit um $ 48 Mrd. übertroffen. Doch zum positiven Ergebnis trug im Juni der Verkauf von zwei Kraftwerken für insgesamt $ 44,6 Mrd., und auch ein Zuschuss aus dem Sonderfonds der ANSeS bei. Es handelt sich dabei um außerordentliche Einnahmen, die sich nicht wiederholen. Dennoch wies der Monat Juni ein primäres Defizit von $ 6,60 Mrd. aus, das ohne diese Sondereinnahmen auf über $ 50 Mrd. steigt. Das ist bedenklich.
Der Überschuss beruht darauf, dass die laufenden Einnahmen viel stärker als die Ausgaben stiegen. Während die Steuereinnahmen im ersten Halbjahr 2019 um 45,4% über dem Vorjahr lagen (also weniger als die Inflation), nahmen die Ausgaben viel weniger zu. Gemäß der offiziellen Information (die sehr konfus und unvollständig ist) gingen die primären Ausgaben um 5,3% des BIP zurück, und der Steuerdruck um 2%. Das ist auf folgende Faktoren zurückzuführen:
Die Gehälter der Staatsangestellten blieben hinter der Inflation zurück, so dass eine reale Abnahme, auch in Prozenten des BIP, einsetzte. Die Staatsfinanzen haben hier und auch in anderen Fällen von der Inflation profitiert.
Die Subventionen für öffentliche Dienste sind weiter zurückgegangen. Statt über Steuern, Staatsverschuldung und Geldschöpfung, werden die Kosten dieser Dienste heute zum größten Teil durch die Tarife bezahlt.
Die Zuschüsse für Staatsunternehmen, mit denen Betriebsdefizite und Investitionen gedeckt werden, sind stark zurückgegangen.
Die Staatsinvestitionen sind stark gefallen. Viele Objekte wurden beendet, bei anderen wurde der Baurhythmus verlangsamt, und andere, die vorgesehen waren, wurden hinausgeschoben.
Auf der anderen Seite sind die Sozialausgaben gestiegen, weil das Pensionierungssystem indexiert ist, außerdem in vielen Einzelfällen eine Berichtigung der Renten stattfand, und auch weil die Zahl der Rentner zugenommen hat.
Schatzminister Nicolás Dujovne hat gute Kleinarbeit geleistet. Er hat überall gespart. Aber die großen Entscheidungen über Staatsausgaben hängen nicht von ihm ab, sondern von Präsident Mauricio Macri. Das bezieht sich an erster Stelle auf das Kohlenbergwerk Río Turbio, das keinen Sinn hat, sehr hohe Ausgaben verursacht, und geschlossen werden müsste. Um wirklich zu sparen, muss mit der Methodologie des Nullbudgets gearbeitet werden, bei der die Ausgaben in jedem Einzelbereich von Null auf geprüft werden. Die Erfahrung mit dem Nullbudget in den USA und Spanien zeigen, dass dabei unzählige Sparmöglichkeiten auftauchen, die bei der traditionellen Methodologie, bei der ein Budget auf dem vorangehenden aufgebaut wird, nicht entdeckt werden. Auch ohne so weit zu gehen, kann auch mit der Einfrierung der freiwerdenden Arbeitsplätze in der Staatsverwaltung und einer sorgfältigeren Prüfung der Ausgaben in jedem Einzelbereich viel gespart werden. Jährlich sind es gut 3% weniger Staatsangestellte, weil sie in Pension gehen, sterben oder zurücktreten. Allein, die Sparpolitik darf sich nicht auf den Nationalstaat beschränken, sondern sie muss auch Provinzen und Gemeinden umfassen. Und das erfordert viel Kleinarbeit mit den Gouverneuren, die faktisch und politisch nicht einfach ist.
Das Hauptproblem der Staatsfinanzen besteht gegenwärtig bei den Zinsen. Das gesamte Defizit (als “finanziell” bezeichnet), das auch Zinsen einschließt, lag im 1. Halbjahr 2019 mit $ 287,20 Mrd. 14,8% über dem Vorjahr. Die Zinslast allein erreichte im 1. Halbjahr 2019 $ 317,42 Mrd., 118% über dem Vorjahr. Die starke Erhöhung beruht einmal auf einer Zunahme der Staatsverschuldung, dann auf der Abwertung, die in 12 Monaten zum Juni über der Inflation lag, und schließlich auf den hohen Zinsen für die Leliq-Schatzscheine (“Letras de liquidez”, also sehr kurzfristige Schatzscheine, mit denen Liquidität abgeschöpft werden soll) . Als die ZB Lebac (“Letras del Banco Central”) unterbrachte, handelte es sich um Titel der Zentralbank und nicht des Schatzamtes, so dass sie nicht von diesem als Ausgaben gebucht wurden. Das wird als quasifiskalisches Defizit bezeichnet und unter den Teppich gefegt. Die Leliq hingegen fallen dem Schatzamt direkt zur Last. Die hohen Leliq-Zinsen stellen eine phänomenale Belastung der Staatsfinanzen dar, die ständig zunimmt, weil die Zinsen mit neuen Leliq bezahlt werden. Bei den Lebac wurde seinerzeit ein Höchstbetrag von $ 1,2 Bio. erreicht, der dann mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds abgebaut wurde. Bei den Leliq sind es jetzt schon über einer Billion Pesos. Wie lange soll dieser Unfug weitergehen?
Wir haben an dieser Stelle seit Langem dafür plädiert, dass sich der Staat in Dollar finanziert. Bei Zinsen von ca. 60% in Pesos, die bei den Leliq gezahlt werden, und einer Inflation von ca. 40% im Jahr, verbleibt ein Dollarzinssatz von ca. 20%. Paradoxerweise wäre es für die Staatskasse viel günstiger, wenn die Inflation viel höher wäre. Doch gleichzeitig konnte das Schatzamt Titel in Dollar (Letes) zu ca. 5% und auch weniger unterbringen. Wenn die Unterbringung von Staatstiteln in Dollar mit einer spezifisch für diesen Zweck bestehenden Weißwaschung verbunden wird, kann der Staat seinen Finanzbedarf bestimmt zu normalen Zinsen decken, und eventuell kann dabei ein größerer Dollarbetrag aufgenommen werden, was dem Schatzamt erlauben würde, Regierungspapiere in Dollar, die in New York weiter unter pari gehandelt werden und eine Rentabilität von etwa 15% ergeben, am Markt aufzukaufen, so dass dann an Zinsen gespart wird. Man muss auch bei den Staatsfinanzen etwas weiter denken. Doch das kommt bei den Karrierebeamten kaum in Frage, und offensichtlich bei Minister Nicolás Dujovne, Schatzsekretär Rodrigo Rato und ZB-Präsident Guido Sandleris auch nicht. Wie sie sich die Entwicklung des Zinsproblems und der Leliq vorstellen, bleibt vorerst ihr gut gehütetes Geheimnis.
Die gesamte Verschuldung des Bundesstaates (zu der noch die der ZB und der Provinzen hinzukommt) erreichte laut ZB-Angaben zum 30.6.2019 u$s 337,23 Mrd., also u$s 5,04 Mrd. mehr als Ende 2018. Diese Schuld macht um die 90% des Bruttoinlandsproduktes aus, das jetzt, zum Tageskurs umgerechnet, u$s 370 Mrd. ausmacht. Doch Ende 2017 war das BIP vom INDEC mit u$s 560 Mrd. angegeben worden. Die Abwertung hat das BIP somit um 34% verringert. Das bedeutet jedoch nicht, dass das BIP in Wirklichkeit, also in Pesos zu konstanten Werten, berechnet, in diesem Ausmaß gefallen ist. Der Rückgang liegt um die 5%. Nachdem der Dollarkurs wieder hinter der Inflation zurückgeblieben ist, dürfte das BIP jetzt über u$s 400 Mrd. liegen, womit dann der Verschuldungskoeffizient abgenommen hat.
Von der Staatsschuld entfallen 76,6% auf Dollarschulden. Von den Staatsschulden entfallen jetzt u$s 62,72 Mrd. auf internationale Finanzanstalten, an erster Stelle der IWF, und dann noch die Weltbank, die BID und die Andenkörperschaft. Bei diesen Schulden besteht keine Gefahr, dass die Gläubiger die Rückzahlung vorverlegen. Diese Schulden, wie auch die, die gegenüber chinesischen und EU-Banken bestehen (wegen Finanzierung von Staatsinvestitionen und Lieferungen von Kapitalgütern), werden langfristig amortisiert. Wenn man dann noch die innerstaatliche Schuld abzieht, die automatisch erneuert wird, verbleiben weniger als u$s 100 Mrd., die auf dem Finanzmarkt aufgenommen wurden, bei denen die Gefahr besteht, dass sie nicht erneuert werden und auch nicht voll durch Aufnahme neuer Schulden ausgeglichen werden können. Die Deckung dieser Schulden muss schon jetzt geplant werden, und in diesem Sinn sollte das Schatzamt sich lokal in Dollar verschulden, wie wir es oben (und vorher schon mehrmals) vorschlagen.
Würde die gesamte Staatsschuld zu 5% verzinst, so ergäbe das einen Betrag von fast u$s 17 Mrd., der umgerechnet zu $ 45 je Dollar $ 759 Mrd. im Jahr ergibt, was $ 379 Mrd. im 1. Halbjahr 2019 darstellt. Indessen ist die Zinslast höher. Das Budgetbüro des Kongresses gelangt dabei auf einen Betrag von 428,96 Mrd., was jedoch auch Zinsen einschließt, die erst später fällig werden. Effektiv wurden Zinsen für u$s 317,42 Mrd. gezahlt, was somit unter 5% auf die Schuld darstellt. Auf der einen Seite wurden bei Staatstiteln, die auf dem Finanzmarkt untergebracht wurden, weit über 5% gezahlt, und auf der anderen wurden die Pesoschulden durch die Abwertung (in Dollar berechnet) stark verringert. Den Verlust haben vorwiegend die ZB und die ANSeS getragen.
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