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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Auf abenteuerlichen Wegen nach Hause

Reisende und ihre Erfahrungen während der Corona-Krise

Buenos Aires (AT) - Gefangen in der Corona-Krise: Deutsche Reisende berichten von ihren Erfahrungen, die sie während der Pandemie in Argentinien machten. Sie wurden von einem Tag auf den anderen vom willkommenen Touristen zum potenziellen Virus-Überträger. In mehreren Berichten beschreiben die Betroffenen von den Schwierigkeiten, aus dem Landesinneren nach Buenos Aires zu gelangen, von wo die begehrten Rückholflüge in Richtung Deutschland gingen. Die Berichte spiegeln auch den Einsatz der deutschen Honorarkonsuln vor Ort wider, ohne deren Hilfe manche Traveller möglicherweise immer noch in Argentinien festsitzen würden.

Bericht von Cornelia und Willi Brunner:

Carolina und Willi Brunner
Cornelia und Willi Brunner vor dem Hintergrund der beiden Fünftausender, die sie bestiegen haben. (Foto: Privat)

Die Chronologie unserer Rückreise beginnt dort, wo wir unseren Urlaub in den Bergen Argentiniens vorzeitig abbrechen müssen - in der entlegenen Gebirgsregion des Cerro La Ramada:

20. März 2020: 20. März 2020: Ein schöner Tag im Gebirge geht zu Ende. Wir konnten zwei Fünftausender besteigen. Da weder Spuren von anderen Expeditionen auf dem Weg zu sehen, noch irgendwelche Angaben auf den uns zugänglichen Landkarten zu den Bergen zu finden waren, halten wir es für möglich, dass es sich um echte Erstbesteigungen handeln könnte - auch wenn sich dies natürlich nicht belegen lässt. Wir tauften die beiden Gipfel zumindest für uns auf die Namen „Cerro Bavaria“ (5272 Meter) und „Cerro Corona“ (5554 Meter).

Bei der Rückkehr ins Basislager erreichte uns über das Satellitentelefon die Nachricht von unserem Fahrer Mauro Olivera aus Barreal, dass ganz Argentinien unter Quarantäne steht, und wir sofort mit dem Abstieg beginnen sollten, weil er unsere geplante Rückfahrt für den 28. April nicht mehr garantieren kann. Da wir drei Autostunden von unserem Stützpunkt in Barreal entfernt sind und wir niemals zu Fuß dorthin gelangen können, entschließen wir uns schweren Herzens, uns in zwei Tagen abholen zu lassen.

22. März: Bei der Rückkehr nach Barreal werden wir von der örtlichen Polizei bis zum 30. März in Quarantäne gesteckt. Wir dürfen nun das Hostal Don Lisandro nicht verlassen, obwohl wir schon seit dem 29. Februar in Barreal bzw. im menschenleeren Gebirge sind. Auch selber einkaufen gehen dürfen wir nicht, und so muss uns die Familie von Mauro in den nächsten Tagen mit dem Notwendigsten versorgen.

25. März: Unser regulärer Rückflug war für den 11. Mai vorgesehen. Noch viel Zeit, wenn man bedenkt, dass wir vorerst weder das Hotel verlassen, noch ins Gebirge gehen können. Schweren Herzens entschließen wir uns deshalb, den Kontakt zu Honorarkonsul Andreas Vollmer in Mendoza aufzunehmen. Der reagiert umgehend und rät, dass wir uns im Rückholprogramm der Bundesrepublik registrieren sollen, weil für den 30. März von Mendoza ein Bus nach Buenos Aires geplant ist.

27. März: Das Rückholprogramm ist nur von Buenos Aires aus vorgesehen. Wir müssen also zunächst nach Mendoza kommen. Mauro spricht mit der Polizei, und die sagt, dass das für uns kein Problem bedeutet, denn wir haben von Herrn Vollmer einen Passierschein und die für die Ausreise notwendigen Papiere bekommen. Da Barreal jedoch in der Provinz San Juan liegt, Mendoza die Hauptstadt der angrenzenden Provinz ist, müsste Mauro in Mendoza in eine 14-tägige Quarantäne, und dazu hatte der dreifache Familienvater verständlicherweise keine Lust. Und so fährt der Bus am 30. März ohne uns nach Buenos Aires.

31. März: Herr Vollmer sendet uns eine Nachricht, dass für den 2. April ein zweiter Anlauf geplant ist. Dieses Mal soll die Anreise nach Mendoza über die Ortschaft San Juan gehen. Wir besprechen uns mit Mauro, und der klärt für uns bei der Polizei ab, ob das möglich ist. Dieses Mal bekommt er die Aussage, wenn er uns nach San Juan-Stadt bringt, muss er nach seiner Rückkehr nach Barreal wieder in eine 14-tägige Quarantäne, aber eben bei seiner Familie daheim, damit könnte er leben. Am späten Nachmittag schickt Herr Vollmer uns den Reiseplan: Wir organisieren also die Anfahrt nach San Juan-Stadt zu einer bestimmten Adresse, wo unser Fahrer Mauro uns absetzen soll. Dort sollen wir uns mit einem Deutschen und bei einer zweiten Adresse mit einer Italienerin treffen. Zusammen fährt uns dann ein von der Botschaft organisierter Kleinbus um 10.50 Uhr zur Provinzgrenze San Juan. An der Grenze der Provinzen San Juan und Mendoza steigen wir („Wie in einem Tatortfilm“, Zitat Herr Vollmer) in ein anderes Fahrzeug um, das uns dann zum Terminal in Mendoza bringen soll.


Carolina Brunner
Bei der Ankunft in Buenos Aires wurde der Bus angehalten. (Foto: Privat)

2. April: Um 5:45 Uhr fahren wir in Barreal los. Normalerweise ist es nur eine Autofahrt von zweieinhalb Stunden nach San Juan (Stadt). Aber wir müssen ja eventuell mit mehreren Polizeikontrollen rechnen. Gegen 8.30 Uhr treffen wir, ohne Polizeikontrollen, viel zu früh in San Juan ein. Wir finden die Adresse von dem Deutschen nicht, und so klären wir mit Herrn Vollmer ab, dass wir gleich zur Adresse der italienischen Mitreisenden fahren. Das Taxi kommt wie geplant dort hin, und zu viert fahren wir ohne weitere Kontrollen zur Provinzgrenze San Juan. Hier geht es nach kurzer Wartezeit mit dem nächsten Fahrzeug aus Mendoza weiter. Die beiden Kontrollen bis zum Terminal in Mendoza sind zwar ein wenig nervenaufreibend, verlaufen jedoch problemlos. Um 15 Uhr treffen hier die ersten Mitreisenden und ein Mitarbeiter von Herrn Vollmer ein. Er selbst kann leider nicht kommen, da er unter Quarantäne steht.

Insgesamt sind wir jetzt 47 Passagiere aus allen möglichen Nationen, aber nur sechs Deutsche. Vor dem Einsteigen wird bei allen noch Fieber gemessen und eine Befragung zum Gesundheitszustand durchgeführt. Bis das Gepäck verstaut ist und alle Maßnahmen durchgeführt sind, wird es 18 Uhr, als der Bus endlich starten kann. Kurz vor der Abfahrt erreicht uns die E-Mail, dass wir für den Flug am 4. April nach Frankfurt einen Platz bekommen haben. Fantastisch, eine tolle Planung, nur eine Nacht in Buenos Aires. Ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht begleitet den Bus bis zur Stadtgrenze von Mendoza. Um 22 Uhr taucht die Lichterkette von San Luis auf. An einem Parkplatz steigen dort wie geplant zwei weitere Deutsche zu. Auch hier das gleiche Spiel: Mit Blaulicht geht es bis an die Stadtgrenze und die Fahrt nach Buenos Aires geht weiter.

3. April: Bei Sonnenaufgang fährt der Bus durch die Außenbezirke von Buenos Aires. Wir denken: „Super bald ist es geschafft!“ Um 8 Uhr kommen wir zu einer Zahlstelle der Autobahn von Buenos Aires. Hier gibt es eine Polizeikontrolle, und unsere Weiterreise ist erst einmal zu Ende. Der Bus wird zu einem Parkplatz umgeleitet und mit Pylonen und Absperrband eingesperrt. Das schaut gar nicht gut aus. Wir hören, wie der Fahrer mit dem Einsatzleiter debattiert.

Um 10 Uhr müssen wir alle unsere Pässe abgeben. Gleichzeitig tauchen immer mehr Reporter mit Kamera vor der Absperrung auf. Als nächstes wird vor dem Bus eine mobile Sanitätsstation aufgebaut. Personal in kompletter Schutzausrüstung kommt zu uns in den Bus. Es wird wieder Fieber gemessen, Befragung zum Gesundheitszustand durchgeführt und festgehalten, wie lange jeder schon Argentinien ist. Es geht das Gerücht um, dass wir mit dem Bus wieder nach Mendoza zurück geschickt werden sollen.

Gegen 11 Uhr wird uns die Situation langsam suspekt, und wir schreiben Herrn Vollmer eine E-Mail, in der wir kurz unsere Lage schildern. Er zeigt sich sichtlich irritiert und will sofort mit der deutschen Botschaft in Buenos Aires Kontakt aufnehmen.

13 Uhr: Laut Herrn Vollmer soll von Seiten der deutschen Botschaft alles klar sein. Neben dem Bus wird nun ein weißer Tisch mit Sonnenschirm und Stühlen aufgebaut. Dort werden unsere Personalien nochmals aufgenommen, bevor wir unsere Pässe wieder zurückbekommen. Die Polizei verteilt nun Wasser und kleine Brötchen. Eine holländische Familie mit zwei kleinen Kindern im Altern von zwei und vier Jahren bekommt auf Wunsch etwas Obst.

Gegen 15 Uhr geht das Gerücht um, dass bei zwei bis drei Passagieren die für die Einfahrt nach Buenos Aires notwendigen Papiere unvollständig seien und wir deshalb noch festgehalten werden. Unglaublich - wegen ein paar fehlender Papiere werden 47 Personen zusammengepfercht in einem Bus sieben Stunden lang festgehalten. Jetzt dürfen wir wenigstens einmal kurz aussteigen. Vor dem Bus stinkt es unglaublich nach Urin, der von der Toilette über den Asphalt läuft - von der Hygiene der Toilette selbst ganz zu schweigen. Und das in der Corona-Krise!

Gegen 16.30 Uhr werden die ansonsten so geduldigen Argentinier, die mit im Bus sitzen, langsam ungeduldig und reden auf den Einsatzleiter ein. Herr Vollmer schreibt uns, dass eigentlich mit dem Ministerium alles geklärt ist und er nochmal die Botschaft angeschrieben hat.

Um 17 Uhr kommt langsam Bewegung in die Sache. Die Reporter ziehen ab, ein Teil der Polizisten ebenfalls. Nach insgesamt neun Stunden Wartezeit auf der Autobahn darf sich der Bus endlich in Bewegung setzen. Wir werden mit Polizeikonvoi und Blaulicht zu unserem Zielpunkt am Hotel Sheraton gebracht.


Fahrt zum Hotel mit Polizei-Eskorte
Fahrt zum Hotel mit Polizei-Eskorte. (Foto: Privat)

4. April: Auf der Fahrt zum Flughafen gibt es nochmals zwei harmlose Kontrollen der Polizei. Die Organisation der Deutschen Botschaft am Flughafen ist pünktlich und perfekt. Wir bekommen unsere Tickets, und um 20:34 Uhr hebt die Lufthansa Maschine in Richtung Frankfurt ab. Dort am Folgetag angekommen, geht es mit dem Zug nach München.

Nachtrag: Unser besonderer Dank gilt Mauro Olivera aus Barreal, der uns in diesen aufregenden Tagen wie ein Freund zur Seite gestanden ist und sogar eine 14-tägige Quarantäne auf sich genommen hat, damit wir zurück nach Deutschland kommen. Natürlich geht unser Dank auch an den Honorarkonsul Andreas Vollmer und sein Team, ohne deren Einsatz und Organisation die Rückreise nach Buenos Aires nicht möglich gewesen wäre.



Das abrupte Ende zweier Reisen

In ihren Berichten erzählen Miriam und Tobias Maurer (beide 40) aus Karlsruhe sowie Katharina und Peter Schön (beide 39) mit ihren zwei Kindern Nora (5) und Jakob (3) aus Wolfratshausen von ihren Erlebnissen in Argentinien während der Corona-Krise. Familie Maurer ist seit zwei Jahren mit ihren Motorrädern auf der ganzen Welt unterwegs, Familie Schön reist mit ihrem Camper seit August 2019 durch Südamerika, geplant war eine einjährige Reise.

Beide Familien treffen sich zufällig in San José de Jáchal in der abgelegenen argentinischen Provinz San Juan auf einem Campingplatz, kurz bevor in Argentinien die Ausgangssperre verhängt wird. Eigentlich ist der Campingplatz wunderschön, denn er liegt idyllisch in einem Olivenhain, im Hintergrund sieht man die Bergriesen der Anden, der Betreiber hat selbst eine Großfamilie und ist äußerst gastfreundlich. Und auch für die Kinder ist der Platz mit Swimmingpool, mehreren Hunden, Truthähnen, Katzen und Pferden nahezu ideal.

Als jedoch Argentinien die Grenzen schließt, den Flugverkehr einschränkt, eine zwölftägige Ausgangssperre verordnet und Einheimische dazu anhält, jeden Ausländer per Telefonanruf an die Polizei zu melden, wird ein zunächst nur mulmiges Gefühl mit der Zeit immer beklemmender, circa 1400 Kilometer von Buenos Aires entfernt, dem einzigen Ort, der noch eine Ausreise ermöglicht. Der deutsche Honorarkonsul in Mendoza, Andreas Vollmer, hilft beiden Familien mit den „richtigen Unterlagen“, sodass sie am 27. März ihre „Flucht“ in die argentinische Hauptstadt antreten und insgesamt 17 Polizeikontrollen passieren können.


Der Bericht der Familie Maurer:

Miriam Maurer
Miriam Maurer mit ihrem Motorrad. (Foto: Privat)

„Auch in Südamerika spitzt sich die Lage langsam zu, und wir befinden uns gerade in der Region San Juan. Da die Bergregionen zwischen Argentinien und Chile besonders sehenswert sind, wollen wir an diesem Tag den Aqua-Negra-Pass fahren. Nach einer kurzen Diskussion am Grenzübergang werden wir an den Zoll verwiesen und unsere Papiere gründlich untersucht. „Aus Deutschland?“ - die Beamten weichen gleich mal einen halben Meter zurück. Als wir ihnen erklären, dass wir seit fast zwei Jahren nicht mehr in Europa waren und außerdem schon über zwei Wochen in Argentinien, sind sie sichtlich erleichtert.

Wir müssen zum Glück nicht in Quarantäne, könnten auch nach Chile ausreisen, dürften aber nicht wieder zurück nach Argentinien. Außerdem erklären sie uns, dass es vermutlich die nächsten Tage einen kompletten Shutdown geben wird. Wir verlassen die Grenze daher schnellstmöglich, um nicht eventuell doch noch in Quarantäne gesteckt zu werden. Das viel teurere Chile ist für uns keine Option, und wir sind froh, bereits in Argentinien zu sein.

Es ist an der Zeit, sich nach einem Ort umzusehen, an dem man zur Not längere Zeit verweilen kann. Nach einer stürmischen Nacht im nahegelegenen Städtchen Rodeo fahren wir zu einem Campingplatz ins 60 Kilometer entfernte San José de Jáchal. Der Campingplatz ist ein riesiger Olivenhain mit Pool, Grillplätzen und sogar gutem Internet direkt am Stadtrand. Bis auf einen Camper ist er komplett leer. Es ist eine deutsche Familie mit zwei Kindern - Peter, Katharina, Nora und Jakob Schön (siehe weiter unten).

Am nächsten Tag gehen Miriam und Peter zum Einkaufen in die Stadt. Wenige Minuten später rollen die Polizei und die Ambulanz auf den Campingplatz. Sie befragen Katharina zum Gesundheitszustand und prüfen unsere Unterlagen. Nachdem sie meinen Reisepass kontrolliert haben, will allerdings keiner mehr was von mir wissen. Ob es daran liegt, dass wir bereits länger als zwei Wochen am Stück in Argentinien sind?

Zuerst heißt es, dass wir in Quarantäne müssten. Peter wird telefonisch darüber informiert, und Miriam - sie hatten sich in der Stadt getrennt - wird von der Polizei angehalten. Beiden wird mitgeteilt, genug Vorräte für eine zweiwöchige Quarantäne einzukaufen. Die Behörden sind sehr nett und entschuldigen sich sogar am Schluss für die Unannehmlichkeiten. Zu unserer Verwunderung müssen wir schließlich doch nicht in Quarantäne, sondern dürfen weiterhin zum Einkaufen in die Stadt oder sogar weiterfahren.

Der Campingplatz wird allerdings gesperrt. Ziemlich „schrecklich“ - jetzt haben wir ihn ganz für uns allein. Miriam und Peter schleppen riesige Vorratsmengen zum Campingplatz. Das ist zwar schade, weil wir doch nicht in Quarantäne müssen, aber kommt ja andererseits auch deren Fitness zu Gute.

Kontrolle durch die Gendarmería
Kontrolle durch die Gendarmería. (Foto: Privat)

In der Nacht kommt dann allerdings der Shutdown. In Argentinien bedeutet das: Wer ohne Grund in der Öffentlichkeit erwischt wird, hat hohe Geldbußen zu erwarten oder muss sogar mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Kinder sind in die Öffentlichkeit gar nicht mehr erlaubt. Wir dürfen allerdings weiterhin zum Einkaufen in die Stadt.

Einheimische müssen Ausländer unverzüglich der Polizei melden. Vor allem in den ersten Tagen werden wir ständig in der Stadt angehalten, da wieder jemand die Polizei informiert hat. Trotzdem sind aber sowohl die Einwohner als auch die Polizisten immer äußerst freundlich. Einige Tage später wissen auch die meisten Einheimischen, dass sechs Touristen auf dem Campingplatz untergebracht sind, und wir werden kaum mehr von der Polizei abgefangen.

Es gibt jetzt sehr viel Zeit zum Entspannen. Wir stehen mit ziemlich vielen anderen Reisenden in Kontakt und sind über die Geschehnisse recht gut informiert. Leider kommen von den verschiedenen europäischen Botschaften und Konsulaten ständig unterschiedliche Aussagen.

Manche raten zum dringenden Ausreisen, andere eher zum Aussitzen der Situation. Diese allgemeine Verwirrung trägt auch dazu bei, dass sich die Reisenden immer unsicherer fühlen. Miriam hat Kontakt zum Konsulat in Mendoza. Wir haben dort mit Honorarkonsul Andreas Vollmer einen sehr guten Ansprechpartner. Nach einiger Überlegung scheint es am besten für uns zu sein, nach Buenos Aires aufzubrechen.

Als wir am Tag darauf den Campingplatz verlassen wollen, geleitet uns die Polizei für einen Gesundheitscheck zum Krankenhaus. Leider enden wir danach alle in Quarantäne, weil Familie Schön noch keine zwei Wochen am Stück in Argentinien war. Wir haben noch die Erlaubnis zum Einkaufen, dürfen aber die Stadt nicht mehr verlassen.

Die Motorräder werden desinfiziert.
Die Motorräder werden desinfiziert. (Foto: Privat).

Anschließend folgen einige verwirrende Ereignisse. Zuerst erscheint die örtliche Polizei kurze Zeit darauf wieder am Campingplatz, überreicht uns Gesundheitszeugnisse und verkündet, dass wir nun doch fahren dürften. Daraufhin erscheint etwas später wiederum die Gendarmería und verkündet, dass wir bleiben müssten - zumindest bis Familie Schön 14 Tage in Argentinien verbracht hat. Nach dem ganzen Hin und Her trinken wir erst einmal Bier.

Mittlerweile erhalten wir Meldungen aus den Whatsapp-Gruppen von anderen Reisenden, die mehr oder weniger erfolgreich nach Buenos Aires gefahren sind. Aber besonders in den Corona-freien Außenprovinzen scheint man ohne vernünftige Dokumente von argentinischen Behörden die lange Fahrt nach Buenos Aires nicht antreten zu können.

Ein paar Tage später ist unsere 14 tägige Quarantäne beendet, aber das Land ist natürlich immer noch im Shutdown. Dank der Hilfe von Herrn Vollmer und der Gendarmería bekommen wir einen Geleitbrief und unternehmen einen weiteren Versuch, in die Hauptstadt zu gelangen. Wir werden noch ein letztes Mal ärztlich untersucht, unterschreiben verschiedene Dokumente, die wir nicht verstehen können, und verabschieden uns von den netten Campingplatz Besitzern.

Familie Schön ist langsamer und Miriams getöntes Helmvisier macht es schwierig, nachts zu fahren. Daher beschließen wir, uns zu trennen. Die ersten Polizeikontrollen sind relativ streng. Unsere Dokumente werden aufmerksam kontrolliert, und es fallen immer wieder ehrfürchtig die Wörter „Gendarmería National“. Als wir dann die Provinz Córdoba erreichen, wird es insgesamt etwas skurriler. In jedem der kleineren Orte steht am Ortseingang ein Polizeiaufgebot. Häufig gibt es zusätzlich zivile Kontrolleure, und wir müssen uns immer wieder erklären.

Einmal werden wir per Eskorte durch einen Ort hindurch geleitet. Die Behörden wollen verhindern, dass wir im Ort anhalten. Obwohl immer noch alle sehr freundlich sind, merkt man mittlerweile deutlich die Unsicherheit der Bevölkerung und der Polizei. Als Europäer ist man potentiell infiziert. Meistens sind die Leute aber sichtlich entspannter, sobald wir erklären, dass wir schon seit zwei Jahren nicht mehr in Europa waren. Ein anderes Mal werden wir komplett mit Alkohol desinfiziert. Dabei werden nicht nur die Motorräder besprüht, sondern auch wir selbst mit der ganzen Ausrüstung und sogar die Schuhsohlen.

Als wir endlich den Highway in der Stadt Córdoba erreichen, ist es bereits dunkel geworden. Schlagartig gibt es fast keine Kontrollen mehr. Wir genießen die freie Fahrt, es gibt keinen Verkehr und auch die Mautstationen sind offen. An einem großen Tankstellenkomplex mit BBQ-Bereich und Shop beschließen wir zu übernachten. Wir rechnen damit, dass gleich die Polizei kommt, aber es interessiert sich glücklicherweise niemand für uns. Der Rastplatz ist sowieso ziemlich leer, und wir haben keinen Kontakt zu anderen Personen. Am nächsten Tag fahren wir zu Bekannten nach Buenos Aires, wo wir auch unsere Motorräder abstellen können. Die Stadt ist fast komplett leer.

Rückholflieger der Lufthansa.
Endlich im Rückholflieger der Lufthansa. (Foto: Privat)

Einen Tag später erhalten wir eine Email vom Auswärtigen Amt, dass wir für den Rückflug am 1. April eingeplant sind. Als wir wie vorgeschrieben kurz vor 16 Uhr am Flughafen eintreffen, befindet sich dort bereits eine riesige Menschenschlange. Offensichtlich haben es viele Leute eilig, das Land zu verlassen. Nachdem wir endlich den Schalter der Botschaft erreichen, wird uns mitgeteilt, dass wir ein Dokument hätten ausfüllen müssen, das uns zugeschickt wurde. Also verlassen wir die Schlange wieder und füllen unsere Daten ein.

Wir haben ein bisschen Bedenken, ob wir überhaupt noch mitgenommen werden, da es zuerst nicht danach aussieht, dass alle Personen in das Flugzeug passen, und wir sind jetzt ganz am Ende der Schlange. Aber es scheinen tatsächlich alle einen Platz zu bekommen. Als wir dann das Flugzeug betreten, werden wir von den Flugbegleiterinnen beglückwünscht und in die 1. Klasse geführt. Wir haben einen der acht besten Plätze ergattert. Welch ein Glück! 13 Stunden später stehen wir dann schon in Frankfurt.



Der Bericht der Familie Schön:

„Als wir am 13. März über den 4.753m hohen Agua-Negra-Pass von Chile wieder nach Argentinien eingereist sind, war uns noch nicht klar, dass dies unser letzter Grenzübertritt innerhalb von Südamerika sein sollte. An der Grenze wir werden lediglich gefragt, wann wir aus Deutschland ausgereist sind. Zu diesem Zeitpunkt müssen lediglich Reisende, die sich in der letzten Zeit in Europa oder China aufgehalten haben, für 14 Tage in Quarantäne. Später erfahren wir, dass es bald keine Flüge aus und nach Europa mehr geben wird, zumindest vorerst für einen Monat. Auf dem erstbesten Campingplatz mit Wi-Fi nach der Grenze lassen wir uns nieder, um die Lage zu sondieren.

Dort erreicht uns eine WhatsApp-Nachricht unserer österreichischen Freunde, die sich ca. 600 Kilometer nördlich von uns befinden. Die Polizei samt Ambulanz wäre gerade auf ihren Campingplatz gekommen. Sie wurden zu einem einsamen Ort gebracht und müssten dort für 14 Tage in Quarantäne gehen, wohl, weil sie erst kürzlich aus Chile eingereist sind. Am späteren Abend erfahren wir jedoch, dass sie nach stundenlangen Verhandlungen zwischen der Polizei und der österreichischen Botschaft freigelassen wurden. Wir beschließen, am nächsten Tag in den ca. 50 Kilometer entfernten Nachbarort zu fahren, weil es dort einen Campingplatz gibt, der nur ein Zehntel dessen kostet, was wir aktuell zahlen und der zudem einen Pool und Geschäfte in Laufweite hat.

Ohne aufgehalten zu werden, schaffen wir es nach San José de Jachál zu kommen, zu tanken und uns mit dem Nötigsten zu versorgen. Als wir später erfahren, dass der argentinische Präsident Alberto Fernández am späten Nachmittag höchstwahrscheinlich eine zehntägige Ausgangssperre für ganz Argentinien bekannt geben wird, macht sich Peter mit einem großen Rucksack auf den Weg, um noch mehr Vorräte zu besorgen. In die Geschäfte werden nur noch drei Leute gleichzeitig gelassen, und in der Apotheke werden sogar unsere Kreditkarten desinfiziert. Am Abend stellt sich heraus, dass zwar noch keine Ausgangssperre verhängt wurde, aber dass ab dem nächsten Tag die Grenzen komplett dicht sind.

In der Zwischenzeit sind auch noch Miriam und Tobias auf unserem bis dato „Privat-Campingplatz“ gestrandet. Bei jedem Motorengeräusch befürchten wir, dass die Polizei aufkreuzt und uns aus unserer doch recht komfortablen freiwilligen Quarantäne-Unterkunft vertreibt.

Am nächsten Tag starten Peter und Miriam in den Ort los, um Geld zu besorgen und noch ein paar Dinge einzukaufen. Die Lage ist schon etwas angespannter, Peter bekommt als letzter Kunde in der Post noch Geld, bevor diese vorübergehend geschlossen und auf Notprogramm umgestellt wird. Währenddessen fährt die Polizei am Campingplatz vor und nimmt unsere Daten auf. Sie sind dabei äußerst freundlich und entschuldigen sich mehrfach, vor allem wegen der Kinder. Als sie sehen, dass wir erst kürzlich aus Chile eingereist sind, meinen sie, dass wir den Campingplatz für die nächsten 14 Tage nicht verlassen dürfen.

Miriam wurde inzwischen im Ort von der Polizei aufgegriffen und per Telefon von „unseren“ Polizisten angewiesen, Essen für 14 Tage zu besorgen. Peter kauft daraufhin auch noch mehr Vorräte ein. Inzwischen ist auf dem Campingplatz auch ein Krankenwagen vorgefahren. Uns werden Fragen zu unserem Gesundheitszustand gestellt und anschließend erfahren wir, dass wir doch nicht in Quarantäne müssen und theoretisch weiterreisen könnten. Theoretisch, denn es wurden bereits diverse Provinzgrenzen geschlossen.

Über Facebook- und WhatsApp-Gruppen sind wir im ständigen Austausch mit anderen Overlandern. Manche, die sich nicht rechtzeitig niedergelassen haben, werden mit massiven Problemen konfrontiert. Campingplätze werden geschlossen, sie werden von Ort zu Ort geschickt oder an wenig angenehmen Orten am Weiterfahren gehindert. Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, Ausländer der Polizei zu melden. Noch tendieren wir dazu, das Ganze hier auszusitzen. Die schnellen, radikalen Maßnahmen der argentinischen Regierung und die aktuell noch geringen Fallzahlen lassen hoffen, dass Argentinien Corona besser in den Griff bekommt als Europa. Unsere größte Befürchtung ist, dass der Campingplatz hier schließen muss. Zumindest hinsichtlich einer zweiten Sorge bekommen wir Entwarnung: Während der Versicherungsschutz von etlichen Reisekrankenversicherungen 14 Tage nach Verhängung einer Reisewarnung laut AGB erlischt, scheint das bei unserer Versicherung nicht der Fall zu sein.

Einen Tag später sehen wir die Situation schon etwas anders. Wir befürchten, dass es zunehmend schwieriger werden wird, unseren Camper noch zurück nach Deutschland zu bekommen. Als wir erfahren, dass Argentinien eines der acht Länder ist, für die die deutsche Regierung im ersten Schritt eine Rückholaktion anbietet, registrieren wir uns dafür und versuchen, eine schnellstmögliche Verschiffung von unseren Camper zu buchen. Am Abend verkündet der argentinische Präsident, dass ab Mitternacht eine zwölftägige Ausgangssperre für das ganze Land verhängt wird, auf deren Einhaltung strikt geachtet wird. Es dauert nicht lange, bis einem die ersten Geschichten von Fahrzeugkonfiszierungen und Verhaftungen zu Ohren kommen. Wir treten mit der deutschen Botschaft in Buenos Aires in Kontakt und mit dem Honorarkonsul Andreas Vollmer, der aus Mendoza für unsere Provinz zuständig ist.

Zwei Tage später erfahren wir von der deutschen Botschaft, dass man mit einem gültigen Flugticket trotz Ausgangssperre nach Buenos Aires fahren darf, wenn man symptomfrei ist. Bei der Rückholaktion wird man allerdings wohl nur berücksichtigt, wenn man sich bereits in Buenos Aires befindet.

Wir stellen fest, dass es entgegen der offiziellen Aussage, der Flugverkehr nach Europa sei eingestellt, noch ein paar Flüge nach Europa gibt - mit 40 bis 50 Stunden Reisedauer und zwei bis vier Zwischenlandungen in aktuell wenig attraktiven Ländern wie Brasilien, Frankreich oder Spanien. Von anderen Travellern kommt uns zu Ohren, dass viele Flüge kurzfristig gecancelt werden bzw. sie trotz Aussagen und Dokumenten der deutschen Botschaft bei den zahlreichen Polizeikontrollen mit Problemen konfrontiert werden und zum Teil am Weiterfahren gehindert werden. Es wird jedoch vermutet, dass der Luftraum kommende Woche komplett dicht gemacht wird für nicht absehbare Zeit.

Kurzerhand erwerben wir Flugtickets, die nach 48 Stunden automatisch storniert werden. Flüge zu buchen, die aktuell sehr teuer sind und dann womöglich storniert werden, ist uns zu heiß.

Wir machen Motorräder und Camper reisefertig und beschließen, es am nächsten Tag zu wagen, die 1.400 Kilometer in zwei Etappen über Córdoba nach Buenos Aires zu fahren. Und das trotz Ausgangssperre und der Tatsache, dass ein Teil von uns - Familie Schön - noch keine 14 Tage im Land ist. Ein bisschen fühlen wir uns so, als würden wir versuchen, mit einem Heißluftballon aus der DDR auszureisen.

Obwohl wir alle Voraussetzungen erfüllen und die Unterlagen beisammen haben, die die deutsche Botschaft für eine Fahrt während der Ausgangssperre empfohlen hat, kommen wir bei unserem ersten Fluchtversuch nicht weit. Und zwar nur bis zum örtlichen Krankenhaus. Die Ortspolizei eskortiert uns dorthin, nachdem wir am Campingplatz mitgeteilt haben, dass wir abreisen. Da wir noch keine 14 Tage in Argentinien sind, weigert sich der zuständige Hospitalchef, uns ein Gesundheitszertifikat auszustellen. Und das, obwohl wir keine COVID-19 Symptome aufweisen.

Nach einer Stunde sind wir zurück am Campingplatz und breiten uns dort erneut aus. Keine zwei Stunden später taucht die Ortspolizei auf ihren Mopeds wieder auf und wedelt mit strahlenden Gesichtern mit unseren Gesundheitszertifikaten - wir dürften doch fahren. Wir teilen ihnen mit, dass wir am nächsten Tag in der Frühe losstarten und schenken ihnen zum Dank unsere letzten Tafeln deutsche Schokolade. Am späten Nachmittag taucht plötzlich die Provinzpolizei auf und eröffnet uns, dass wir doch nicht fahren können. Diesmal aber nicht wegen der individuellen 14-tägigen Quarantäne, sondern wegen der allgemeinen Ausgangssperre. Wenn wir das nicht akzeptieren wollen, müssten wir mit der Gendarmería Nacional Kontakt aufnehmen. Wir informieren Honorarkonsul Vollmer, der für unsere Provinz zuständig ist. Er antwortet prompt und ist sehr bemüht, eine Lösung zu finden.

Er tritt mit dem Kommandanten der Gendarmería in Kontakt, der beim Bundesgericht eine Ausnahmegenehmigung für uns beantragt. Am nächsten Tag sollen wir mit der offiziellen Erlaubnis der Gendarmería nach Buenos Aires fahren können. Wir packen also wieder, sind am nächsten Tag um 10 Uhr startklar und warten auf das angekündigte Auftauchen der Gendamería. Es tut sich nichts.

Andreas Vollmer ruft erneut bei der Gendarmería an. Kurze Zeit später sind sie da und teilen uns mit, dass wir nach dem Absitzen unserer Quarantäne, also in zwei Tagen, losstarten können. Als uns dann auch noch die Spedition den Einliefertermin für unseren Camper im Hafen bestätigt, haben wir kurzzeitig einen Masterplan: Wir starten am Freitag los, liefern unseren Camper am Montag im Hafen ein, und aufgrund der Kinder müssten wir gute Chancen haben, beim nächsten Rückholflug am Mittwoch berücksichtigt zu werden.

Der Masterplan wird jedoch kurze Zeit später schon wieder zerschlagen: Die Spedition informiert uns, dass wir unseren Camper doch nicht vor Mittwoch einliefern können. Am darauffolgenden Tag erfahren wir, dass es unsere österreichischen Freunde ohne Probleme von Córdoba nach Buenos Aires geschafft haben. Es gibt allerdings auch andere Geschichten: Ein Fernsehbericht über eine französische Familie, die ebenfalls im Camper unterwegs war und verhaftet wurde, weil sie die Ausgangssperre missachtet hatte.

Dann ist er da, der große Tag. Um 10 Uhr fahren die Gendarmería und ein Krankenwagen am Campingplatz vor. Wir freuen uns, dass uns die Fahrt zum Krankenhaus diesmal erspart bleibt. Es wird eine Behelfskrankenstation für uns aufgebaut und Fieber gemessen. Anschließend bekommen wir unser drittes Gesundheitszertifikat, und die Polizei fährt sogar extra nochmal los, um unseren Passierschein für uns auszudrucken, der in Abstimmung mit Andreas Vollmer, dem Bundesgericht und der Gendarmería erstellt wurde. Dann sind wir frei.

Doch nach nicht mal fünf Minuten stehen wir an der ersten Polizeisperre, die von unserem Fall nichts zu wissen scheint. Wir meistern sie trotzdem und auch alle weiteren 16, die noch folgen sollen, bis wir in unserem Hostel in der Nähe des Flughafens Ezeiza bei Buenos Aires sind. Mal ist es einfacher und die Polizisten entschuldigen sich sogar dafür. Mal dauert es länger, und wir sind uns schon fast sicher, dass wir nicht weiterfahren können.


Die Straßen sind wie ausgestorben, Netz hat man meistens auch nicht. Jetzt eine Panne zu haben, wäre äußerst ungünstig. Wir legen 1.000 Kilometer in 14 Stunden zurück und stoppen nur zum Tanken oder um Notdurft zu verrichten. Zwischendurch machen wir einen Storage-Space für unseren Camper in Buenos Aires dingfest und buchen ein Hostel in Flughafennähe. Wir müssen den Camper allerdings verschiffungsfertig machen, bevor wir ihn beim Storage abgeben, um dort möglichst wenig Aufsehen zu erregen in der Zeit der Ausgangssperre.

Um ein Uhr nachts kommen wir zu einer Tankstelle, deren Tankwart uns freundlicherweise erlaubt, über Nacht dort zu bleiben, nachdem ihm Peter unsere unbenutzten Benzinkanister schenkt. Da sich unmittelbar daneben eine Polizeistation befindet, befürchten wir, dass wir vertrieben werden, sobald sie wieder besetzt ist. Um halb sechs sind wir mit Packen und Putzen einigermaßen fertig und gönnen uns noch anderthalb Stunden Schlaf. Dann nehmen wir die restlichen 400 Kilometer in Angriff und sind eine Stunde vor der vereinbarten Zeit zur Camperabgabe in Buenos Aires. Wir parken an einer Tankstelle in der Nähe des Storage-Anbieters und werden vor der Polizei zwar kritisch beäugt, aber nicht vertrieben. Die letzte Polizeikontrolle, bevor wir unseren Camper abliefern, ist nochmal etwas tricky, da wir den Polizisten klar machen müssen, warum wir jetzt nicht auf direktem Weg zum Flughafen fahren. Und dann geht alles sehr schnell. Wir müssen Abschied nehmen von unserem Camper, der in den letzten sechseinhalb Monaten unser Zuhause war und zwängen uns mit unserem Gepäck in ein Incognito-Taxi, dessen Fahrer über eine Sondergenehmigung verfügt.

Die Rezeption unseres Hostels hat uns angewiesen, bei den Polizeikontrollen anzugeben, dass unsere Botschaft diese Unterkunft für uns reserviert hat. Offiziell dürften sie wohl nicht mehr offen haben. So kommen wir auch noch durch die vier weiteren, zum Teil recht strengen Polizeikontrollen und sind eine Stunde später ziemlich erschöpft in unserem Hostel.

Dort wollen wir darauf warten, dass wir beim nächsten Rückholflug in vier Tagen berücksichtigt werden. Zwei Tage vor dem Rückholflug erfahren wir über diverse WhatsApp-Gruppen, dass einige andere Traveller bereits Instruktionen für ihren Rückholflug erhalten haben. Ein Blick in unseren Mail-Account lässt vermuten, dass wir entweder vergessen oder einfach nicht berücksichtigt wurden. Wieder schalten wir Andreas Vollmer ein, der prompt bei der Botschaft nachhakt. Als Familie mit kleinen Kindern sollte man eigentlich bevorzugt werden. Das Nachhaken zeigt Wirkung. Nur kurze Zeit später erhalten wir eine Bestätigungsmail zum Rückholflug in weniger als 48 Stunden.

Es folgt noch ein aufregender Tag im Hostel mit weiteren Polizeikontrollen. Am Schluss dürfen wir das Hostel noch nicht mal mehr zum Einkaufen verlassen und wir befürchten, hier noch ein weiteres Mal für 14 Tage in Quarantäne gehen zu müssen. Dies bewahrheitet sich zum Glück nicht, aber nach unserer Abreise wird das Hostel geschlossen. Wir werden in mehreren Taxis von der Polizei zum Terminal eskortiert und sind heilfroh, als wir dort ankommen.

Vier Stunden später sitzen wir mit etwa 350 anderen Deutschen im Flieger nach Frankfurt - mit gemischten Gefühlen. Einerseits sind wir unendlich erleichtert, dass wir dann doch recht schnell ausreisen konnten, auch wenn die Situation in Deutschland auch alles andere als angenehm ist. Andererseits sind wir unendlich traurig, dass unsere Reise so ein abruptes Ende findet und wir unseren Camper zurücklassen müssen, ohne zu wissen, wann wir ihn wiederbekommen.“



Der Bericht der Familie Lempp (Tübingen):

„Wir sind eine fünfköpfige Familie mit drei kleinen Kindern, die seit Juli 2019 mit dem Rucksack unterwegs war. Nach einem einmonatigen Aufenthalt in Chile sind wir am 13. März mit dem Bus nach El Calafate in Argentinien weitergereist, wobei der Grenzübertritt völlig problemlos war. Zwei Tage später erklärte Argentinien Chile zum Covid-Riskogebiet und schloss die Grenzen nach Chile. Alle in den letzten 14 Tagen von Chile eingereisten Touristen wurden unter Quarantäne gestellt, bis sie 14 Tage ohne Krankheitssymptome in Argentinien verbracht hatten.

So saßen wir also als Familie in einem kleinen Häuschen in El Calafate fest. Glücklicherweise war unser Vermieter sehr hilfreich, vermietete uns für die Dauer unser Quarantäne das Häuschen weiter und ging für uns in den folgenden Tagen einkaufen.

In den folgenden Tagen wurden die Bestimmungen sowohl für Touristen als auch für Argentinier immer strikter. In dieser Situation nahmen wir Kontakt mit dem deutschen Honorarkonsul Bernd Ferstl von El Calafate auf. Dieser war in der folgenden Zeit täglich mit uns per WhatsApp und telefonisch in Kontakt und brachte uns aus der Bäckerei seiner Familie regelmäßig leckere Backwaren vorbei. Außerdem erhielten wir von ihm wichtige Informationen über die aktuelle Situation als Touristen in Argentinien.


Als sich eine Möglichkeit für einen Flug nach Buenos Aires vom 250 Kilometer entfernten Rio Gallegos aus ergab, organisierte Bernd Ferstl für uns die notwendige Genehmigung der Stadt El Calafate, das erforderliche Gesundheitszeugnis sowie den Transport nach Rio Gallegos. Bei ständig sich ändernden Gegebenheiten und Hürden in der Bürokratie von El Calafate kein einfaches Unterfangen.

Doch so konnten wir am 28. März nach Buenos Aires fliegen und am 1. April von dort aus weiter nach Deutschland. Auch die Organisation des Rückfluges nach Deutschland wurde nicht nur von der Deutschen Botschaft in Buenos Aires, sondern auch durch den Honorarkonsul tatkräftig unterstützt. Herr Frestl blieb mit uns in Kontakt, bis wir wieder zu Hause in Deutschland waren. Wir sind sehr dankbar für die erhaltene Unterstützung und denken, dass wir wahrscheinlich ohne seine Hilfe heute immer noch in Argentinien im Hausarrest wären.“



Der Bericht von Miro Struller (Nürnberg):

„Meine Reise begann am 3. März dieses Jahres in Santiago de Chile. Meine Schwester hatte vor, ein halbes Jahr als Au-pair in der chilenischen Hauptstadt zu verbringen, und der Rest meiner Familie und ich beschlossen, sie zu besuchen. Außerdem begleiteten uns noch fünf weitere Freunde auf der Reise, um Lateinamerika kennenzulernen. Da ich selbst bereits vor sechs Jahren in Südamerika war, war es besonders schön, wieder hierher zurückzukehren.

Nachdem wir Santiago, Viña del Mar und Valparaiso besucht hatten, ging es am 9. März ohne die Eltern weiter nach Mendoza. Die Busfahrt über die Anden war hier bereits abenteuerlich. Aufgrund der damaligen Proteste gegen die Regierung wurde unser Bus in einem der Außenbezirke der Stadt mit einem Stein beworfen, wodurch ein Seitenfenster zerbarst und dieses daraufhin provisorisch mit Hilfe einer Schlafliege repariert wurde.

Dort angekommen hat unsere Gruppe ein paar schöne Tage in Mendoza genossen. Während dieser Zeit haben wir schon immer aufmerksam die Nachrichten verfolgt, und gerade die Situation in Italien begann hier sehr brenzlig zu werden. Jedoch war diese Krise zu diesem Zeitpunkt noch sehr weit weg - geographisch sowie bei der subjektiven Bewertung der Gefahrenlage dieser (damals noch) Epidemie. Am 12. März teilte sich die Gruppe dann auf.

Drei der Freunde sind ab Santiago de Chile mit Flugverbindungen von Alitalia über Rom nach München zurückgekehrt. Es war ein Wunder, dass diese Flüge überhaupt noch stattfanden, da die Meldung zu diesem Zeitpunkt schon publik gemacht wurde, dass Alitalia aufgrund der drohenden Insolvenz vom italienischen Staat übernommen werden sollte. Außerdem befand sich Italien zu diesem Zeitpunkt bereits im Lockdown, weswegen diese zwei Flüge so ziemlich die einzigen waren, die an diesem Tag in Rom landeten bzw. abhoben.

Meine Schwester und zwei ihrer Freundinnen begaben sich auf die Reise zu den Iguazú-Wasserfällen am Dreiländereck von Argentinien, Brasilien und Paraguay. Nachdem sie die argentinische und brasilianische Seite der Wasserfälle besucht hatten, traf sie die Meldung am Abend des 13. März: Ab sofort waren die Iguazú- Wasserfälle aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus geschlossen, und der Flugverkehr zwischen Argentinien und Europa sollte in nächster Zeit eingestellt werden. Mit Hilfe aus der Heimat konnten die Freundinnen über Buenos Aires heimfliegen - meine Schwester hatte sich vorerst dazu entschieden, zu ihrer Familie in Santiago de Chile zurückzukehren.


Mein Bruder und ich setzten unsere Reise Richtung San Rafael fort. Wie oben schon erwähnt, hatte ich bereits einige Zeit in dieser wunderschönen Gegend von Südamerika verbringen dürfen, und ich wollte meinem Bruder die Provinzstadt südlich von Mendoza zeigen. Außerdem freute ich mich riesig, die vielen gewonnenen Freunde wiederzutreffen. Die gleiche Meldung, die die Freundinnen dazu veranlasst hatte, nach Hause zurückzukehren, traf auch uns wie der Blitz. Ungewiss, wie sich die Situation in Zukunft entwickeln würde, verbrachten wir den ganzen Tag im Hotel auf der Suche nach Rückflügen. Mein Bruder entschloss sich schließlich, den Bus von San Rafael nach Buenos Aires zu nehmen, um einen Flug über Madrid nach Berlin zu erwischen. Da der erste Flug nach Madrid jedoch Verspätung hatte, musste er noch einen weiteren Tag in Madrid verbringen, bevor er in die Heimat zurückkehren konnte.

Ich selbst entschloss mich dazu, in San Rafael zu bleiben. Es brach mir das Herz, bereits nach einem Tag diese sehnsüchtige Rückkehr in meine zweite Heimat wieder abzubrechen, und so verfolgte ich den Plan, am 18. März nach Santiago zurückzukehren, um meinen Rückflug am 21. März antreten zu können. Die Hoffnung, dass Chile zu diesem Zeitpunkt noch Abflüge genehmigen würde, war noch relativ sicher gegeben. Nun erklärte Chile jedoch am folgenden Montag, dem 16. März, Maßnahmen, um sich gegen die Verbreitung des Corona-Virus zu schützen. Ab dem 16. März durften keine Reisenden mehr nach Chile einreisen, die in den letzten 14 Tagen in einem Risikogebiet waren.

Nun war mein Rückflug nach Europa nur noch über den Luftweg zu erreichen. Das sollte sich in den kommenden Tagen jedoch auch erledigen, da dieser gecancelt wurde. Am 17. März wechselte ich meine Unterkunft. Da viele Hotels bereits keine Ausländer mehr aufnahmen, kam ich in einem Hostel eines guten Freundes unter. Zwei Stunden nach dem Wechsel der Unterkunft meldete sich das Hotel bei mir und fragte, wo ich sei, da die Tourismusbehörde von San Rafael nach mir suche.

Ich lief zum Hotel in der Hoffnung, diese noch anzutreffen, jedoch ohne Erfolg. Ich hinterließ meine Kontaktdaten und derzeitige Adresse und kehrte zurück. Im Laufe des Tages wurde mir dann mitgeteilt, dass zwei Reisende auf der Hauptstraße von San Rafael eingesammelt wurden und von der Polizei in Quarantäne gesteckt wurden. Aufgrund dieser Ereignisse habe ich mich ab diesem Tag nicht mehr aus dem Apartment bewegt, in der Angst, auch von der Polizei eingesammelt zu werden. Am Abend des 17. März wurde dann von der argentinischen Regierung publik gemacht, dass Reisende, die sich noch nicht zwei Wochen im Land befanden, sich für die restliche Zeit in häusliche Quarantäne begeben sollen. Nun war ich mehr oder weniger in San Rafael gefangen.

Obwohl ich seit dem ersten Tag in San Rafael in Kontakt mit dem Auswärtigen Amt war und wir uns in die Krisenvorsorgeliste eingetragen hatten, war ich ratlos, wie ich mit der derzeitigen Situation umgehen sollte. Ich wusste damals noch nicht, ob ich für eine mögliche Ausreise meine Unterkunft verlassen durfte, und einen Passierschein hatte ich noch nicht gefunden, geschweige denn, dass ich wusste, dass es in Mendoza ein deutsches Konsulat gibt, an das ich mich auch wenden hätte können.

Gott sei Dank hatte ich Freunde in San Rafael, die für mich einkaufen gegangen sind, sonst wäre die Situation noch schwieriger geworden. Vielleicht hätte ich die Möglichkeit am 17. und 18. März noch gehabt, irgendwie nach Buenos Aires zu gelangen, jedoch hatte ich zu viel Respekt vor der ganzen Situation, und die Unsicherheit über die Lage der Quarantäne brachte mich zu der Entscheidung, solange ich keine Empfehlungen des Auswärtigen Amtes hatte, dort zu bleiben, wo ich gerade war. Mindestens noch bis zum 23. März, da ich ab diesem Zeitpunkt meine 14-tägige Quarantäne abgeschlossen hätte.

Am 19. März wurde dann mit fast sofortigem Eintritt die Ausgangssperre für ganz Argentinien erklärt. Auf einen Schlag wurde der erwähnte Plan dann also auch wieder zunichte gemacht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Chance, aus Argentinien rauszukommen. Ab 0 Uhr, also dem Zeitpunkt des Eintretens der Ausgangssperre, machte sich bei mir eine Mischung aus Scham, Angst, Verzweiflung, Heimweh und Frust breit, weshalb ich die darauffolgende Nacht kein Auge zutat.


Zwölf Stunden danach sah die Situation wieder ganz anders aus. Das Auswärtige Amt ließ allen Reisenden im Land Passierscheine zukommen, die es uns ermöglichten, zum Flughafen zu reisen, um den Heimflug antreten zu können. Ich fand einen Flug am Mittwoch, dem 25. März, ab Mendoza über Santiago de Chile, Toronto nach München. Die Gefühlsachterbahn war komplett. Das Wochenende konnte ich mit meinen argentinischen Freunden im Hostel genießen. Wir verbrachten die Quarantäne zu viert, da sich eine Freundin und ein Freund des Hostelbesitzers dazu entschieden, die Ausgangssperre mit uns abzusitzen. Die Freude hielt an bis Sonntagabend.

An jenem 22. März wurden alle Flüge internationalen Flüge, die von den Flughäfen Argentiniens starten sollten, gestrichen. Ausnahme war Buenos Aires. Mein Flug am Mittwoch war somit unerreichbar. Ich kam immer mehr ins Überlegen, was ich machen sollte. Am 23. März gab es von Buenos Aires aus den ersten Rückholflug nach Deutschland. Am 24. bekam ich die Aufforderung, mich bezüglich eines zweiten Fluges zurückzumelden, von einem genauen Datum und ob ich dafür eingeplant werden würde, wusste ich nicht.

Zu diesem Zeitpunkt waren immer noch fast 2000 Deutsche in Argentinien. Die Chance war also sehr gering. Am 25. März entschloss ich mich jedoch dazu, auch ohne Bestätigung für die Teilnahme am zweiten Flug nach Buenos Aires zu reisen. Ich buchte den Bus nach Mendoza, den Flug nach Buenos Aires und ein Hotel in der Hauptstadt. Der Inlandsverkehr wurde extrem eingeschränkt. So war der Bus nach Mendoza nur einer von zwei täglich abfahrenden, und der Flug von Mendoza nach Buenos Aires der einzige, der täglich angeboten wurde. Das Datum meiner Abreise war Montag, der 30. März

Am Donnerstag informierte ich mich beim Hotel, ob dieses noch Reisende aufnähme - Check. Freitag und Samstag verbrachte ich hauptsächlich wartend und mich informierend. Samstagabend kam dann die zu diesem Zeitpunkt alles zerstörende Nachricht: Auch alle übrig gebliebenen Inlandsflüge werden gestrichen. Mindestens bis zum 13. April. Absolute Traurigkeit und Verzweiflung machte sich breit, da ich nun keine Chance hatte, die Rückholflüge nach Deutschland zu erreichen. Ich war komplett ratlos.

Sonntagmorgen bekam ich dann den alles entscheidenden Hinweis: Das deutsche Konsulat in Mendoza organisierte für seine Landsleute einen Bus, der die in der Provinz Mendoza übrig gebliebenen Deutschen nach Buenos Aires bringen sollte. Ein zu diesem Zeitpunkt unvorstellbarer Kraftakt, da es extrem schwer war, die Provinzgrenzen zu überqueren, geschweige denn einen ganzen Reisebus. Und dieser musste samt Personal auch erst mal organisiert werden. Ich reiste schließlich mit dem Bus nach Mendoza, verbrachte die Nacht bei einem Freund und bekam, unendlich dankbar, einen Platz im Bus nach Buenos Aires.

Die Kosten und die 20 Stunden im Bus waren dabei extrem leicht zu ertragen. Am Mittwoch, dem 1. April, konnte ich dann die Heimreise mit dem Flug des Rückholprogramms des Auswärtigen Amtes antreten. Ich werde allen Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes, der Deutschen Botschaft in Buenos Aires, ganz besonders jedoch Konsul Andreas Vollmer in Mendoza und seinen Mitarbeitern für immer dankbar sein, dass sie diesen unvorstellbaren Kraftakt vollbracht haben und immer noch verbringen: 200.000 Deutsche aus aller Welt wieder nach Hause zu bringen. Es war nur eine Busfahrt, aber diese Busfahrt hat mich extrem stolz gemacht, ein deutscher Staatsbürger zu sein.“

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